Schlagwort: murx

Voller, gleicher, richtiger!

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat kürzlich einen Journalisten belehrt, das Adjektiv „voll“ könne man nicht steigern. Ist das richtig? Wir finden, es gibt eine richtigere Sichtweise!

Von Stefan Brunn

Der Zusammenhang war, kurz gesagt, wie folgt: Kretschmann sprach seinem Innenminister in einer Affäre sein „volles Vertrauen“ aus. Ein Journalist fragte, warum er ihm nicht sein „vollstes Vertrauen“ ausspreche, woraufhin Kretschmann nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur antwortete: „Voll, voller, am vollsten gibt’s nicht.“

Tatsächlich zählt „voll“ zu den sogenannten Absolutadjektiven, die man zwar grammatikalisch, aber auf der einfachen semantischen Ebene nicht steigern kann: Entweder ist etwas voll oder nicht. Als Beispiel für diese Gruppe wird meistens „schwanger“ herangezogen mit dem Spruch: „Ein bisschen schwanger gibt’s nicht!“ Andere bekannte Absolutadjektive sind absolut, einzig, fertig, ganz, gleich, lebendig, leer, optimal und dergleichen.

Nun weiß man aber ja schon aus der Zeugnissprache, dass jemand eine Tätigkeit oft zur „vollsten Zufriedenheit“ der Vorgesetzten ausgeübt hat – offenbar kann man das Adjektiv also doch steigern. Und genau so war vermutlich auch die Frage des Journalisten gemeint und deshalb auch absolut berechtigt.

Es gibt also auch bei solchen Adjektiven grammatikalisch (es funktioniert) und semantisch (es bedeutet etwas anderes) eine Steigerung. Das kennt man ja aus Sprüchen wie „Manche sind halt gleicher als andere“ oder „Das kommt mir richtiger vor“. Mal ganz zu schweigen von ironischen Äußerungen wie „Das finde ich sogar noch optimaler!“ oder „Sie ist von allen eindeutig am schwangersten!“

Sprache ist so facettenreich und subtil, dass man mit Absolutheitsansprüchen oft scheitert. Unser Paradebeispiel für dieses Scheitern heißt: „leckere Rezepte“. Grammar-Nazis empfinden diesen Ausdruck als falsch, denn nicht die Rezepte selbst sind lecker. Aber jeder versteht doch, was gemeint ist. Und war nicht die Sprache vor allem dazu da, dass wir uns genau verstehen? Der spitzfindige Journalist, der auf den Unterschied zwischen „vollem Vertrauen“ und „vollstem Vertrauen“ aufmerksam machte, hatte genau das versucht: herauszufinden, ob der Ministerpräsident nicht ganz bewusst die mögliche Steigerung unterlassen hatte …

Mit verwechselten Fremdwörtern steht man dumm da!

Bei Tippfelhern ist jedem klar: Wer sie geschrieben hat, kennt die richtige Schreibweise trotzdem. Das ist bei fehlerhaft geschriebenen Fremdwörtern anders. Vor allem dann, wenn ein oder zwei Buchstaben einen ganz anderen Sinn ergeben …

Von Stefan Brunn

Natürlich weiß Gabor Steingart, in dessen Newsletter dieser Klops erschien, was ein Ressort ist. Er war ja selbst mal Ressortleiter beim Spiegel. Und selbst der Spiegel hat kein eigenes Ressort fürs Skifahren.

Bei den meisten anderen Leuten würde man aber schon daran zweifeln, dass sie diese Wörter auseinanderhalten können. Oft lächeln wir ja still in uns hinein, wenn jemand Rezension und Rezession, Präsens und Präsenz, Referenz und Reverenz verwechselt. Bastian Sick hat sich in seiner Spiegel-Kolumne Zwiebelfisch einmal köstlich darüber amüsiert, dass seine Nachbarin Frau Jackmann und seine Freundin Sibylle solche Fremdwörter wie „Dispositionsfarbe“ konstruieren und „integrieren“ mit „intrigieren“ verwechseln. Da schwingt immer auch Schadenfreude mit: Geschieht ihnen ganz recht, wenn sie unbedingt Fremdwörter benutzen wollen, aber dafür zu ungebildet sind! Das sind halt echte Koniferen, kicher!

Klar ist aber auch, dass es immer Leute gibt, die schlauer sind als man selbst. Und im Eifer des Gefechts verwechselt man dann selbst ja auch schon mal „empathisch“ mit „emphatisch“.

Wer sich aufbläst, dem kann man auch die Luft rauslassen, indem man mit der Nadel hineinsticht: Dieses Bild hat uns der große Stilist Kurt Tucholsky hinterlassen. Den zitiert übrigens auch Gabor Steingart sehr gern.

Nein, kryptische Texte machen nicht neugierig!

Wenn schlechte Autoren sich für unverständliche Passagen rechtfertigen wollen, greifen sie seit Menschengedenken zu folgender Ausrede: „Aber das macht doch neugierig!“ Das war und ist aber Unsinn. Wir liefern ein eindrucksvolles Beispiel und eine geniale Studie dazu …

Von Stefan Brunn

Wir verraten nicht, wer es ist. Aber der Autor des folgenden Reportage-Beginns ist ein preisgekrönter Journalist, der regelmäßig Lesungen seiner Texte veranstaltet:

„Eine Geschichte ist kein Abstraktum. Das wäre wie ein Film ohne Darsteller. Die Gefahr: Manchmal identifiziert man den Inhalt mit den Darstellern: Eine irgendwie untrennbare Verquickung entsteht.“

Sicherheitshalber haben wir mal herumgefragt, aber niemand versteht, was das heißen soll. Man nennt so einen Stil „kryptisch“, abgeleitet vom griechischen Wort „kryptikós“, was so viel wie „verborgen“, „rätselhaft“ oder eben „unverständlich“ heißt.

Die Annahme, dass wir so etwas gerne lesen oder es uns neugierig macht oder dass wir die Verfasser:in für intelligent halten, ist aber nachweislich falsch.

Eine Forschungsarbeit des amerikanischen Psychologie-Professors Daniel M. Oppenheimer (unter anderem tätig in Princeton und Stanford) zeigt eindeutig, dass man bei gleichem Informationsgehalt einfachere Texte lieber liest und deren Verfasser:innen auch für intelligenter hält.

Um es noch einmal zu betonen: Die Hoffnung, wegen unverständlicher Äußerungen für schlau gehalten zu werden, ist wissenschaftlich widerlegt. Oppenheimer, übrigens ein wirklich genialer Forscher, hat für seine Studie immerhin den alternativen Nobelpreis erhalten.

Die sieben Einstiege des Grauens

„Eine gute Ausbildung ist die beste Voraussetzung, um später auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.“ Wer Binsenweisheiten wie diese an den Anfang seines Textes setzt, hat sein Publikum im Nu eingeschläfert. Wir nennen noch einige andere Tricks, wie man es gleich ganz vorn im Text versemmelt!

Von Stefan Brunn

Wir haben für Sie einmal sieben „Einstiege des Grauens“ aufgelistet. Die Einstiege kann man wahlweise in Reden oder Pressemitteilungen verwenden, in Berichten, bei Statements oder in Podiumsdiskussionen …

Nummer 1, der Klassiker, der gleich anzeigt, dass es nur um olle Kamellen geht:

Der historische Einstieg
„Ich erzähle Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass es schon Bismarck nur teilweise gelang, die Öffentlichkeit aus politischen Entscheidungsprozessen herauszuhalten oder in seinem Sinne zu beeinflussen.“

Nummer 2 macht das Lesen von Anfang an zur Tortur:

Der Stolperstein-Einstieg
„Das Projekt NQ RuK – Nachqualifizierung rund um Karlsberg der Handwerkskammer für Mittelhessen hat es sich im Rahmen des Programmes ,Perspektive Berufsabschluss‘ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Ziel gesetzt, …“

Nummer 3 arbeitet sich erst mal an unwichtigsten Details ab:

Der Rahmen-Einstieg
„Anstatt der Mitglieder der Kreistagsausschüsse trafen sich am 29. November um 11 Uhr im kleinen Sitzungssaal des Landratsamtes Bernhausen Vertreterinnen und Vertreter örtlicher Sportvereine, um …“

Nummer 4 verscherzt sich sofort alle Sympathien durch stinkendes Eigenlob:

Der Selbstbeweihräucherungs-Einstieg
„Lassen Sie mich als Experten mit meiner langjährigen Erfahrung als Chief Executive Officer, die mich prädestinieren für …“

Nummer 5 fängt weit vor dem Anfang an, gern zum Beispiel bei Begriffsklärungen:

Der Definitions-Einstieg
„Zunächst einige wichtige Überlegungen zu den Termini, die im Folgenden verwendet werden …“

Nummer 6 will sich ohne Zögern ranschmeißen ans Publikum:

Der schwülstige Einstieg
„Ich habe lange darauf gewartet und es ist mir eine besondere Ehre, aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Taxifahrerinnung Offenbach-Ost zu Ihnen zu sprechen …“

Nummer 7 hat das Geschäftsmodell, Eulen nach Athen zu tragen:

Der Klischee-Einstieg
„Ich begrüße Sie ganz herzlich in Frankfurt, der Stadt Goethes, der Banken und des Apfelweins …“

Wenn Sie NICHT wollen, dass jemand Ihnen zuhört oder Ihren Text liest oder Sie positiv kennenlernt, wählen oder kombinieren Sie unbedingt einen dieser sieben Einstiege – der Misserfolg ist Ihnen sicher!

Vorsicht: lebensgefährliche Rechtschreibung!

Die Groß- und Kleinschreibung beim Wörtchen „Sie“ kann echt knifflig sein. Wir haben ein lustiges Beispiel gefunden, bei dem korrekte Rechtschreibung Leben retten könnte …

Von Hannah Molderings

Ein solches Zettelchen haben Sie in den letzten Monaten vielleicht auch schon ausgefüllt:

Unser erster Gedanke: Hui, jetzt wird bei den Corona-Maßnahmen aber wirklich hart duchgegriffen! ☺

Aber Spaß beiseite: Natürlich müsste hier „sie“ klein geschrieben werden, da es sich auf die Daten bezieht.

Kleiner Bonus: Wer findet die vier anderen Fehler, die sich im Formular eingeschlichen haben?

Übrigens: Einen ganz ähnlichen Murx haben wir vor ein paar Jahren schon einmal gebracht.
Hier ging es um die Frage: Wer haftet hier eigentlich für wen?

Edeka ist auf dem Holz Weg

Vielleicht stoßen Sie bei Ihrem nächsten Einkauf darauf: Edeka hat sich lustige Namen für die Kundengänge ausgedacht, zum Beispiel Konserven Gasse oder Hygiene Weg. Wir zeigen die Straßen in einer kleinen Bilderschau.

Von Andrea Rayers

Lust auf einen kleinen Rundgang? Dann kommen Sie mit und klicken Sie sich durch unsere Bilderschau! Aber ziehen Sie sich warm an: Liebhabern korrekter Orthografie könnte hier der eine oder andere Schauer über den Rücken laufen …

1. Hygiene Weg

Erster Halt: der Hygiene Weg. Das Deppenleerzeichen zwischen den beiden Nomen ist leider ein hässlicher Fleck auf der Rechtschreib Weste.

2. Back Straße + Konserven Gasse

Okay, okay, wir haben das Prinzip verstanden: Hier gibt’s das Deppenleerzeichen gratis zum Einkauf dazu.

3. Waschmittelweg

Gönnen wir uns doch hier eine kurze Verschnaufpause: Grund- und Bestimmungswort sind korrekterweise zusammengeschrieben. Na also!

4. Tee-Straße

Ja, wie jetzt? Ein Bindestrich zwischen den beiden Bestandteilen ist natürlich auch richtig – aber zählt denn das Gebot der Einheitlichkeit gar nicht mehr?

5. Mayo-Ketchup-Senf-Weg

Herzlich willkommen auf der Königsallee der Straßennamen: ein vierteiliges Kompositum, das korrekt durch Bindestriche verbunden ist – das nennen wir große Klasse! Am Ende unseres Rundgangs scheint das Prinzip wirklich verstanden worden zu sein …

6. Essig-Öl Gasse

Nun ja, es wäre auch zu schön gewesen.

previous arrowprevious arrow
next arrownext arrow
Shadow

Mutter aller Dubletten gefunden!

In einem Heft zwei Mal den selben Text zu veröffentlichen, das ist zwar peinlich, passiert aber immer mal wieder. „Dublette“ heißt dieser Fehler. Eine sauerländische Zeitung hat diesem Klassiker aber noch mal eine Krone aufgesetzt …

Wenn in einer Zeitung Dubletten vorkommen, haben sich dabei meist die Ressorts untereinander nicht abgesprochen. Und so landet der Bericht über das neue Start-up eben sowohl im Ressort Technik als auch unter Wirtschaft.

Aber wie der Text über den Briloner Frühstückskreis (oder Frühstücks-Kreis?) nahezu identisch und vor allem direkt nebeneinander abgedruckt werden konnte, ist uns absolut schleierhaft:

Die Seite „Perlen des Lokaljournalismus“ hat diese Mutter aller Dubletten ausgegraben und bei Facebook präsentiert. Das Sahnehäubchen dazu sind allerdings die Kommentare, die Nutzer*innen unter dem Facebook-Post hinterlassen haben:

„Hey, ich hab meine Hausaufgaben nicht gemacht und keinen Artikel für die Zeitung. Kann ich bei dir abschreiben?“ – „Ja, aber änder ein bisschen was, damit es nicht so auffällt!“

Was ist denn jetzt mit dem Frühstücks-Kreis in Brilon am 14.???? Fällt der aus? Und der Frühstück-Kreis in Brilon am 14.???? Was ist mit dem?

Oh Mann, ich habe schon so viel Schlimmes erlebt. Und nun fällt auch noch 2x der Frühstückskreis in Brilon aus. Das Leben ist hart!!! 😭

Mich verstört, dass es beim Frühstückskreis einen Kurz-Vortrag gibt, beim Frühstücks-Kreis jedoch einen Kurzvortrag…😉

 

Weltrekord im Verkomplizieren

Behörden schaffen es ja, auch einfachste Vorgänge so kompliziert auszudrücken, dass kein Mensch sie kapiert. Wir haben den weltweit widernatürlichsten Vorgang dieser Art gefunden und zeigen ihn in zwei unglaublichen Bildern.

Das deutsche behördliche Ausschreibungswesen hat einen neuen Weltrekord aufgestellt: Nie zuvor ist es jemandem gelungen, die einfachste aller Aufgaben dermaßen kompliziert darzustellen. Zugegeben: Der Rekord steht nicht im Guinness-Buch. Aber er ist völlig unzweifelhaft – es folgt unser Beweis.

In dem betreffenden Ausschreibungsformular taucht irgendwann folgende Aufgabe auf:

Das Formularfeld

Das klingt noch nicht halb so absurd, wie es ist. Noch ahnen wir nicht, WIE EINFACH die Aufgabe ist. Wir müssen schließlich noch im Bürgerlichen Gesetzbuch nachschlagen bei Paragraph 126b. Dort finden wir eine genaue Erläuterung:

Tja, und jetzt? Fest steht: Wir brauchen einen Text! Das hätten wir uns ja fast schon gedacht … Bloß welchen? Ein lesbarer Text muss es offenbar sein. Das schränkt allerdings die Auswahl nur unwesentlich ein! Aber jetzt kommt’s: Es muss eine Erklärung sein, in der die Person des Erklärenden genannt ist. Haben Sie eine Vorstellung, welcher Text das sein könnte? Ich verrate es Ihnen: Mein Text hieß einfach:

Stefan Brunn

 

Was Julia Klöckner unter heimischem Obst versteht …

Schon kleinste Fehler werden bei Facebook, Twitter & Co. mit Hohn und Spott bestraft. Unsere Landwirtschaftsministerin hat so einen kleinen Fehler begangen und wird dafür durch den Kakao gezogen – bzw. durch den Orangensaft.

Von Stefan Brunn

Da hat der liebe Kollege Klaus Schrage natürlich Recht. 🍌 🍊 Wenigstens einen Kohlkopf hätte Frau Klöckner noch auf dem Tisch platzieren können!

Auch kluge Köpfe schreiben große Namen falsch!

Arme Stadt Siegburg! Als städtische Bedienstete jüngst gleich zweimal daran scheiterten, ein korrektes Straßenschild für Adalbert Stifter zu prägen, machten sich die Medien mächtig drüber lustig. Dabei sitzen sie im Glashaus, denn auch FAZ, Zeit & Co. schreiben immer wieder große Namen falsch!

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Von BILD über Spiegel, Welt und Süddeutsche mokierten sich die lieben Kollegen von der Presse über den kleinen Lapsus, der dem Siegburger Baubetriebshof unterlaufen war. Ja, „Albert“ und „Adelbert“ sind falsch, geschenkt!

Aber die Medien sollten seit Abschaffung ihrer festangestellten Korrektoren mit dem Steineschmeißen vorsichtig sein. Wir haben mal nachgeguckt, ob wir nicht in den Spalten namhafter Zeitungen auch den einen oder anderen ähnlichen Klops finden.

Und siehe da, selbst die FAZ schreibt den wunderbaren Robert Gernhardt falsch! Dabei lebte der in Frankfurt und bereicherte das Blatt immer wieder mit seinen Werken.

Auch die ZEIT hat’s nicht immer drauf, den Namen dieses famosen Dichters und Denkers richtig zu schreiben:

Und die Süddeutsche tut sich ebenfalls manchmal schwer:

Bei den Regionalzeitungen sieht’s übrigens nicht besser aus. Joseph von Eichendorff zum Beispiel wird sehr regelmäßig falsch geschrieben, vor allem in Straßennamen:

Aachener Nachrichten

Main-Post

Schwarzwälder Bote


Wolfsburger Allgemeine


Adalbert Stifter, Robert Gernhardt, Joseph von Eichendorff – das sind doch eigentlich keine komplizierten Namen! Was würde man eigentlich machen, wenn wir Straßen nach ausländischen Nobelpreisträgern wie Frans Eemil Sillanpää oder Rabindranath Thakur benannten? Von einer Ödön-von-Horváth-Allee mal ganz zu schweigen … 😉