Kategorie: Allgemein

Am fehlerlosen Korrektorat scheitert die KI noch

Textverarbeitungsprogramme schaffen es bis heute nicht einwandfrei, alle Rechtschreib-Fehler zu eliminieren. Funktioniert das mithilfe Künstlicher Intelligenz? Wir haben fünf Maschinen getestet. Die Ergebnisse waren teils gut, teils schlecht. Kein Korrektorat war fehlerfrei.

Von Stefan Brunn

Kann KI schaffen, was keinem Redaktions- oder Textverarbeitungssystem in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, nämlich Texte auf Knopfdruck fehlerfrei zu machen? Wir haben das an einem kurzen Text mit vielen Fehlern verschiedener Art getestet:

Die von einem Hersteller von Navigationssystemen beauftragte, Befragung stellt z.B. auch fest, welche Emotionen am häufigsten auf treten , wenn sich jemand verfährt: das nahe liegende Gefühl der Frustation stand dabei erwartungsgemäss mit 75Prozent vorn, gefolgt von Ärger (36 Prozent) und Angst (19 Prozent).

In diesen wenigen Zeilen steckt ja einiges an Fehlern: Groß- und Kleinschreibung, Flüchtigkeitsfehler, Interpunktion, alte und neue Rechtschreibung … Wie kriegt das die KI in den Griff? Den Text gaben wir mit dem immer gleichen Befehl (Prompt) an fünf große Sprachmodelle: Bard, Bing, ChatGPT, Llama und You.com.

Ergebnis: Keine Maschine beseitigt wirklich alle Fehler. Allerdings schaffen es ChatGPT (3.5) und Bing, nur einen einzigen minimalen Fehler übrig zu lassen: das fehlende Leerzeichen bei z. B. Die anderen sind teils recht übergriffig, fassen etwa „von einem“ einfach zu „vom“ zusammen, machen aus dem Wort „Prozent“ das %-Zeichen oder lassen den Satzbeginn nach dem Doppelpunkt mit einem kleinen „d“ stehen, wo es groß sein muss.

Es kann aber nun nicht mehr lange dauern, bis sich eine App darauf spezialisiert, auch kleinste Fehler noch auszumerzen. Dann wird ein Versprechen wahr, dass Verlage ihrer Belegschaft schon vor 30 Jahren gegeben haben, als sie die Korrektor:innen entließen: Das Korrektorat macht jetzt die EDV.

Und falls für jemanden unser Prompt fürs Korrektorat interessant sein sollte, hier ist er (und er lässt sich bestimmt noch verbessern/spezifizieren):
Bitte erledige eine Aufgabe für mich: Korrektorat eines journalistischen Textes. Berücksichtige dabei folgende Punkte:

• Inhalt und Satzbau sollen nicht verändert werden, also bitte KEINE Redigatur, sondern nur Korrektur, also das Ausmerzen von Fehlern.
• Zu den Fehlern gehören auch Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Kommasetzung, Kleinigkeiten wie doppelt gesetzte Leerzeichen, falsche Leerzeichen und ähnliches.
• Grundlage Deiner Korrekturen sollen die Rechtschreibregeln in Deutschland sein. Im Zweifel die Rechtschreibung, die der DUDEN empfiehlt. Bitte die neuen Regeln (nach der Rechtschreibreform verwenden). Nicht die Schweizer Regeln verwenden.
• Bitte achte auch auf Einheitlichkeit bei den Schreibweisen. Wenn Du zum Beispiel eine Maßeinheit einmal ausschreibst, dann immer.
• Bitte setze ggf. bei Abkürzungen und zwischen Ziffern und Maß- und Mengeneinheiten ein geschütztes Leerzeichen.


Wenn Worte doch mehr sagen als Bilder …

Gute Titelseiten zu machen, ist das Geschäft aller Zeitungen weltweit – von der New York Times bis zur FAZ. Aber vor einigen Wochen erregte die Titelseite einer kleinen Studentenzeitung aus North Carolina die Aufmerksamkeit aller US-Journalisten – dabei bestand sie nur aus Text. Wir zeigen die ganze Seite im Bild und erläutern die Hintergründe.

Von Stefan Brunn

Hintergrund dieser Titelseite ist eine Tragödie, die sich Ende August an einer Universität im US-Bundesstaat North Carolina ereignet hatte: Ein Amokläufer hatte das Feuer eröffnet und einen Universitäts-Mitarbeiter getötet. Daraufhin verbarrikadierten sich Studierende und Beschäftigte in Hörsälen und Büros der Universität – und verfassten Textnachrichten an ihre Angehörigen über verschiedene Social-Media-Kanäle.

Diese Textnachrichten sammelten nun die Redakteur:innen der Studentenzeitung „The Daily Tar Heel“ und kompilierten sie zu einer einzigartigen Titelseite nur aus Text. „Wir wollten etwas machen, das den Ernst der Lage wirklich kommuniziert“, erklärt Caitlyn Yaede, Chefredakteurin der Zeitung.

Nachdem die Zeitung die Titelseite auf ihren Social-Media-Kanälen gepostet hatte, wurde sie zigtausendmal geteilt und erreichte so Aufmerksamkeit in den ganzen USA – an diesem einen Tag mehr als die Titelseiten von New York Times & Co.

Was bitteschön ist eine Pfauenehe?

Auch Sprachen vergessen. Zum Beispiel gehen über die Jahrhunderte Ausdrücke verloren, weil sie zu selten benutzt werden, die Pfauenehe etwa. Einige davon können Sie mit unserem kleinen Quiz wiederentdecken. Ausgedacht haben sich die Fragen die Basler Germanisten Suzanne de Roche und Heinrich Löffler.

Vor 250 Jahren, lange vor den Grimms, sammelte ein gewisser Johann Jakob Spreng mit viel Fleiß deutsche Wörter und begann ein „Allgemeines Deutsches Glossarium“. Fertiggestellt wurde es allerdings erst vor wenigen Jahren durch die Basler Germanisten Suzanne de Roche und Heinrich Löffler. Die beiden haben für unseren Zeilenhacker ein tierisch gutes Quiz untergegangener Wörter erstellt. Prüfen Sie doch mal, wie gut Sie vor einem Vierteljahrtausend im Zoo zurechtgekommen wären …

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Schreiben mit dem Weichspüler

Unsere Sprache enthält viele Mittel, um Informationen unterschiedlich darzustellen. Unter diesen Mitteln sind auch Weichspüler: Man nimmt sie, um etwas vage zu halten und sich nicht allzu deutlich auszudrücken. Wir gruppieren diese Weichspüler mal nach ihrer Energieeffizienzklasse.

Von Katrin Liffers

A: Konjunktiv
Der Klassiker unter den Weichspülern. Der Konjunktiv wird auch als Möglichkeitsform bezeichnet und steht damit in direkter Konkurrenz zum Indikativ, der Wirklichkeitsform. In vielen Fällen ist er absolut berechtigt – beispielsweise dann, wenn wir etwas höflich formulieren wollen: „Ich hätte gerne drei Brötchen.“ Oder wenn man sich einer Sache nicht sicher ist: „Es könnte sein, dass sie schon weg ist.“ Schwierig wird die Verwendung des Konjunktivs dann, wenn seine Funktionen missbräuchlich eingesetzt werden. Das passiert oft, um unerfreuliche Fakten als Eventualitäten darzustellen: „Das könnte ein Problem sein.“ Oder um unangenehme Handlungen zu verschleiern: „Ich würde gerne vorschlagen, den Plan zu ändern.“ Das Problem dabei: Man weiß als Gesprächspartner nie genau, wie sicher die getroffene Aussage tatsächlich ist.

B: Kommentaradverbien
Kommentaradverbien, auch „Modalwörter“ genannt, schleichen sich oft ganz unbemerkt in unsere Aussagen ein. Zu Ihnen gehören Wörter wie „sicher“ und „zweifellos“, aber auch „vielleicht“, „eventuell“, „möglicherweise“ und „vermutlich“. Sie zeigen an, für wie wahrscheinlich man das hält, worüber man gerade spricht. So drückt die Aussage „Das wird sicher funktionieren“ Zuversicht und (Selbst-)Sicherheit aus. „Möglicherweise wird es da vielleicht ein Problem geben“ deutet hingegen an, dass man sich nicht eindeutig zur Wahrscheinlichkeit positionieren möchte – oder kann. In großer Menge verwendet signalisieren letztere Unsicherheit, Unwissenheit und fehlendes Selbstvertrauen.

C: Vor- oder nachgeschobene Weichspüler
Manchmal reicht uns ein einzelnes Wort nicht aus, um Vagheit auszudrücken. In diesen Fällen kommen häufig zwei Weichspüler-Arten in Gebrauch, die die Form von Nebensätzen oder sogar ganzen Sätzen einnehmen können: die vor- und nachgeschobenen Weichspüler. Zu den vorgeschobenen Weichspülern zählen Formulierungen wie „Ich bin zwar kein Experte, aber …“ oder „Wenn es in Ordnung ist, würde ich dazu auch gerne noch was sagen.“ Zu den nachgeschobenen Formen zählen Nachfragen, die um Bestätigung bitten („oder nicht?“) und Sätze wie „Vielleicht vertue ich mich da aber auch.“ Diese (Neben-)Sätze wiegen den Sprecher in der vermeintlichen Sicherheit, keine Falschaussagen zu treffen – zu dem Preis, vom Zuhörer als unsicher und unwissend wahrgenommen zu werden. Noch dazu nehmen diese Formulieren meist mehr Raum ein als die eigentliche Aussage. Einfach anstrengend.

D: Euphemismen
Kommen wir nun zu der Art von Weichspülern, die wir am kritischsten sehen: Euphemismen. Sie bezeichnen Wörter, die einen unangenehmen, negativen oder anstößigen Inhalt beschönigen und verschleiern. Und hier liegt auch direkt das Problem. Natürlich ist es angenehmer, von „Kollateralschäden“ zu sprechen anstatt von „Zivilisten, deren Tod bei einem Militärangriff in Kauf genommen wurde“. Und jemandem mitzuteilen, dass nun aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen werden, klingt deutlich besser als die Auskunft, dass die Person abgeschoben wird. Diese Worte verschleiern zwar die Realität, verändern sie jedoch nicht. Damit fällt es leicht, vor unangenehmen Dingen die Augen zu verschließen und Probleme wegzureden, anstatt sie offen anzusprechen und zu ändern. Gerade in politischen Kontexten erzeugen diese Verschleierungen deshalb einen Eindruck von Unehrlichkeit und Unaufrichtigkeit.

Wie eindeutig sind 🚍, 🤗 und 🐣?

Emojis können uns Hinweise geben, wie wir Textnachrichten interpretieren müssen. Manchmal ist aber genau das Gegenteil der Fall. Grund dafür: Die Bedeutung von Emojis ist oft gar nicht so eindeutig, wie wir annehmen.

Von Katrin Liffers

Was meinen Sie: Was ist der Person wohl passiert? Etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Das hängt wahrscheinlich ganz davon ab, wie Sie 😬 interpretieren: Zeigt es ein großes Grinsen, das sich über das ganze Gesicht erstreckt, oder stellt es das Gesicht einer verlegenen Person dar, die etwas Peinliches erlebt hat?

Gar nicht so einfach! Das liegt daran, dass Emojis nicht immer eindeutig sind, sondern „ambig“, wie es die Forschung nennt. In den meisten Fällen können wir diese Mehrdeutigkeit durch den Rest der Nachricht oder den Gesprächsverlauf auflösen. Umso schwieriger wird es aber dementsprechend, wenn Emojis nicht ergänzend zu einem schriftlichen Inhalt genutzt werden, sondern als Ersatz für Wörter oder ganze Sätze. Selbst wenn sich die schreibenden Personen gut kennen, gelingt es ihnen dann nicht immer, die Bedeutung zu entschlüsseln:

Noch schwieriger wird es in der Kommunikationen mit Personen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Hier gilt es, besonders vorsichtig zu sein! So wird die winkende Hand bei uns als Zeichen der Begrüßung und Verabschiedung gesehen. Auch in China steht es für eine Verabschiedung – aber für eine dauerhafte. Es bedeutet, dass man die Freundschaft zum Gesprächspartner beenden möchte.

In diesem Sinne: 👋 – aber nur bis zur nächsten Ausgabe!

Gendern: Der Rechtschreibrat blamiert sich wieder

In der Vorberichterstattung hatten die Medien wieder einmal die Hoffnung geweckt, der Rat für deutsche Rechtschreibung würde in dieser Woche die Frage des Genderns im Deutschen klären. Und tatsächlich erzielte der Rat einen Kompromiss, der einstimmig von Gender-Gegnern und –Befürworter*innen beschlossen wurde.

Von Stefan Brunn

Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so wichtig wäre: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat vergangene Woche die „Eupener Beschlüsse“ gefasst und darin einen Kompromiss über das Gendern im Deutschen erzielt. Das wäre, nach 50 Jahren Streit um dieses Thema, eine echte Held*innenleistung. In Wahrheit gleicht das Ergebnis aber dem des sprichwörtlichen Hornberger Schießens: Man kündigt mit großem Getöse etwas an und am Ende kommt nichts heraus. Der Ratsvorsitzende Josef Lange verhedderte sich in der Abschluss-Pressekonferenz in germanistischen Details und ahnte da bereits, dass er es niemandem recht machen würde. Und tatsächlich: Das, was hier mit großem Aufwand geschaffen wurde, hat diese Aufmerksamkeit in keinster Weise verdient.

Was ist denn eigentlich herausgekommen?
1. Zum wiederholten Male beschließt der Rat, dass er eben keine Empfehlung zum Gendern ausspricht.
2. Er nimmt die Sonderzeichen Binnen-I, Binnen-Doppelpunkt, Genderstern und Unterstrich ins Inventar der deutschen Orthographie auf und erstellt dafür einen eigenen Abschnitt „Sonderzeichen“, in den auch solche Zeichen wie % oder § gesteckt werden.

Die Beschlüsse wurden einstimmig gefasst – obwohl im Rat sowohl überzeugte Gender-Gegner als auch überzeugte Gender-Befürworter*innen sitzen und diese sich bis um zwanzig vor Zwei nachts gezankt haben. Warum konnten sie dann etwas einstimmig verabschieden? Offenbar aus einem einzigen Grund: weil beide Seiten denken, dass die Beschlüsse für unsere Sprache keinerlei Bedeutung haben!

E-Mails: Wie schnell wird eine Antwort erwartet?

Über die Hälfte der Empfänger*innen von E-Mails erwartet eine Antwort spätestens am nächsten Tag. So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter der erwachsenen deutschen Bevölkerung. Die Umfrage liefert noch weitere interessante Ergebnisse.

20 Prozent der Befragten rechnen mit einer Antwort noch am selben Tag. Weitere 34 Prozent erwarten sie spätestens am nächsten Tag. 24 Prozent halten eine Frist von zwei bis drei Tagen für angemessen. Übrig bleibt also ein knappes Viertel, das sich auch an später eintreffenden Antworten nicht stört.

In der YouGov-Online-Umfrage im Auftrag von GMX und WEB.DE unter 2.060 Personen wurde auch nach anderen Dingen gefragt, an denen sich Leute stören. Das größte Ärgernis ist mit Abstand Spam. Unnötige E-Mails bewerten 64 Prozent der Befragten als Ärgernis. 34 Prozent stören sich an der Missachtung von Rechtschreibung, 32 Prozent ärgern sich über fehlende Signaturen bei unbekannten Absendern. Weitere Beanstandungen sind fehlende oder nichtssagende Betreffzeilen (31 Prozent) sowie falsch geschriebene Namen (30 Prozent). Kein Problem sind für die meisten Nutzer*innen inzwischen Abkürzungen wie „LG“ für „Liebe Grüße“ oder „MfG“ für „Mit freundlichen Grüßen“ – daran stoßen sich nur noch 12 Prozent.

Beim eigenen Schreiben nennen die Befragten vergessene Dateianhänge mit Abstand am häufigsten (41 Prozent). Fast ein Viertel der Befragten (23 Prozent) hat auch schon mal E-Mails an den falschen Empfänger verschickt. Die Erfahrung, eine verärgerte E-Mail zu verschicken und dies im Nachhinein zu bereuen, haben bereits 10 Prozent gemacht. Wie viele Nutzer*innen verärgerte Mails versendet und es nicht bereut haben, wurde nicht erhoben.

Zwei Regeln für die Zahlen bis 12

Die alte Buchdruckerregel ist lange tot. Dass man alle Zahlen bis zur Zwölf ausschreibt und darüber nur Ziffern, hat schon der Duden von 1915 verworfen. Aber die Regel ist nicht totzukriegen, jedenfalls irren noch ziemlich viele Untote herum. Wir räumen mal auf bei den Zombies!

Von Stefan Brunn

Um ein Missverständnis sofort zu vermeiden: Die Schreibweise von Zahlen ist keine Sache, die der Rechtschreibrat oder der Duden durch eine Regel festlegt. Mit anderen Worten: Man ist darin ganz frei, richtige Rechtschreibfehler begeht man nicht. Wenn eine Romanautorin zum Beispiel von dreißigtausend Pinguinen schreibt, dann wäre man nicht gut beraten, ihr das vorzuwerfen oder 30.000 Pinguine daraus zu machen.

Aber bei Sachtexten wäre es ja doch ganz nett, wenn man die Sache vernünftig regeln könnte und wir alle halbwegs einheitlich schreiben würden, oder? Also haben wir uns die Empfehlungen des Duden mal angesehen, mit anderen Quellen verglichen und eine übersichtliche Zweiteilung daraus gemacht:

1. Fälle, in denen Sie besser Ziffern wählen
a) bei Zahlen oberhalb der Zwölf, weil es der Schreib- und Lesegewohnheit der meisten Menschen entspricht (Ausnahme: Man bevorzugt die Schreibung von runden Zahlen: zwanzig, hundert etc.).
b) bei Zahlen, die auffallen sollen: Fahrzeuge mit mehr als 2 Achsen.
c) bei nachfolgenden abgekürzten Maß- und Mengeneinheiten: 11 kg; 24 €.
d) bei Zahlen mit Komma: zwischen 7 und 7,5 Tonnen; nur 4,95 Euro.
e) bei Zahlengruppen, bei denen eine Zahl unterhalb und eine Zahl oberhalb der Zwölf ist: 6- bis 14-Jährige; 8 bis 18 Uhr.
f) bei Ordnungszahlen: 5. ATV-Triathlon.
g) beim Datum und bei Jahreszahlen: 24. November; im Jahr 7 v. Chr.; im Sommer 68.
h) in Tabellen, Statistiken, Grafiken, Angeboten, auf Lieferscheinen, Rechnungen etc.: 2 Schellen, 4 Schrauben. Hier sogar 1 Fachkraft (im Fließtext muss es „eine Fachkraft“ heißen).
i) bei Nummern: Telefonnummern, Hausnummern, Kontonummern, Postleitzahlen etc.

2. Fälle, in denen Sie besser Zahlwörter wählen
a) bei Zahlen unterhalb der Zwölf, wenn keine der oben genannten Regeln greift: zwei Pinguine.
b) bei Zahlen, die sich unauffällig in den Text integrieren bzw. nicht auffallen sollen: vierzehn Unfälle.
c) bei unbestimmten Zahlen: einige Tausend Pinguine, sie ist Ende fünfzig.

Es ist leicht ersichtlich, dass es mehr Fälle gibt, in denen sich Ziffern empfehlen. Bei der Wahl zwischen Zahlwort und Ziffer geht der Trend tatsächlich zur Ziffer. Warum? Vermutlich, weil die Ziffer kürzer ist, weil sie mehr auffällt und weil sie es leichter macht, einheitlich zu schreiben.

Wenn man sich also statt der alten Buchdruckerregel nur eine einzige Sache merken will, dann die: Bei Zahlen über 12 schreibe ich immer in Ziffern und unter 12 immer dann, wenn es mir nicht komisch vorkommt. Es stellt sich ja doch ein ungutes Gefühl ein, wenn man „die 3 letzten Parteivorsitzenden“ eintastet – hier geht es meist ja nicht um Inventarpositionen.

Links lenken vom Lesen ab

Links machen das Lesen langsamer. Das heißt natürlich nicht, dass Links schlecht wären. Aber in vielen Webtexten werden einfach zu viele von ihnen verwendet. Wir zeigen ein Negativbeispiel und liefern ein bisschen wissenschaftlichen Hintergrund.

Von Stefan Brunn

Zunächst das Negativbeispiel, ein Text aus Wikipedia:

Unser Lesen verlangsamt sich bei Links, weil wir bei jedem auftauchenden Link zusätzlich zwei Fragen beantworten müssen:

1. Soll ich da jetzt draufklicken, bringt das einen Mehrwert für mich?
2. Was wollen mir die Autoren damit sagen, dass sie diesen Link hier platziert haben?

Im obigen Beispiel etwa, in dem es um den berüchtigten Fat-Finger-Fehler geht, stehen in 14 Zeilen 15 Links. Will man wirklich bei Wikipedia unter „Zahlen“ oder „Sorgfalt“ nachschlagen, wenn man wissen will, um was für einen Fehler es sich handelt? Kaum!

In einer Studie haben Wissenschaftler*innen des Tübinger Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) mit einer Hirnstrom- und Blickbewegungsmessung vor einigen Jahren genau analysiert, welche Belastung beim Lesen von Links ausgeht. Wichtigstes Ergebnis: Die Entscheidungsprozesse über Links im Vergleich zu reinem Lesen führen zu erhöhter kognitiver Belastung. Sowohl in der Energieveränderung der Hirnströme im EEG als auch in einer Vergrößerung der Pupille war diese erhöhte Belastung erkennbar. Die Lernleistung sank. Sogar wenn die Testpersonen vorher angehalten werden, die Links nicht anzuklicken, sondern sich nur auf ihr Lernziel konzentrieren sollen, verminderte sich die Lernleistung. Der Link, so die Forscher*innen, löse einen Impuls im Kopf aus, auf die neue Netzseite zu springen. Den müsse das Gehirn unterdrücken – und dieses Unterdrücken belaste das Arbeitsgedächtnis.

Und was lernen wir daraus? Links setzt man erstens nur dann, wenn sie wirklich einen Mehrwert bieten. Und zweitens setzt man Links, wenn es sonst zu viele würden, am besten unter den Text.

In diesem Text gibt es nur einen Link, der zur zitierten Studie darf natürlich nicht fehlen:
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0130608

Planvoll prätentiös

Sprachliches Blendwerk entwickelt sich offenbar zu einer allgemein akzeptierten Strategie. Wie kann ich etwas Banales so formulieren, dass es möglichst hochtrabend klingt? Entsprechende Techniken sind salonfähig geworden. Wir zeigen einige Beispiele.

Von Stefan Brunn

„Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen – nicht umgekehrt.“ Das hat der Schriftsteller Jean Cocteau gesagt. Und sinngemäß sind ihm in Deutschland viele Lehrbücher gefolgt mit der Forderung, den Ball sprachlich flach zu halten. Der berühmte Wolf Schneider etwa hat sich zeitlebens gegen „verbales Imponiergehabe“ eingesetzt, der Schriftsteller Eckhard Henscheid sogar ein ganzes Lexikon „Dummdeutsch“ dazu erarbeitet. Ob’s was genützt hat? Es sieht eher nicht so aus. An deutschen Schulen und Universitäten jedenfalls hat sich eine Szene etabliert, die aufs genaue Gegenteil setzt: strategisches Schlautun mit Bildungsvokabeln. Drei Beispiele:

Beispiel 1: die gWriters
Die Firma gWriters, laut Selbstauskunft „ein führender internationaler Anbieter für Ghostwriting, Lektorate & Übersetzungen“ mit „über 3000 akademischen Ghostwritern & Autoren“, rät in ihrem Blog dazu, möglichst schlaue Substantive und Verben zu nutzen. Man hat dafür ganze Listen erstellt. Empfohlen wird zum Beispiel, „adäquat“ zu sagen statt „angemessen“, „eminent“ anstelle von „sehr“, „evaluieren“ statt „bewerten“ und so weiter. Das gilt also für Adjektive und Verben, aber mindestens genauso für Substantive: „Novität“ statt „Neuigkeit“, „Quintessenz“ statt „Hauptpunkt“ oder „Kontrahent“ statt „Konkurrent“. Maxime: je ungeläufiger, desto besser! Das ist genau das Gegenteil von dem, was Stillehrer:innen empfehlen …

Beispiel 2: das Wörterbuch der Bildungssprache
In die gleiche Kerbe schlägt das „Wörterbuch der Bildungssprache“ von Sven Edmund Lennartz, der auch die Website Bildungssprache.net betreibt. Er meint, kaum ein Artikel, der auch nur halbwegs anspruchsvoll sein wolle, komme ohne Bildungssprache aus. Hier einige vorbildliche Mustersätze für Bildungsprotze aus seinem bereits in zweiter Auflage erschienenen Wörterbuch: „Ihre adoleszenten Energien wollten abgebaut werden.“ Oder: „Das Immunsystem kämpft bereits seit Äonen für unser Überleben.“ Oder: „Die Agglomeration verbraucht zunehmend mehr Fläche.“

Beispiel 3: Netzlehrer Bob Blume
Auch Bob Blume setzt sich dafür ein, dass Schüler:innen und Student:innen ihre Sprache durch gehobenes Vokabular anreichern. Er schlägt vor, immer mal wieder „edukative Wörter“ einzustreuen und nennt ganz konkrete Beispiele: „arriviert“, „changieren“, „reüssieren“ oder „desavouieren“. Sein YouTube-Kanal hat über 19.000 Abonnenten, kürzlich hat ihn das baden-württembergische Kultusministerium sogar um ein Grußwort zur Digitalen Bildungsplattform des Landes gebeten.

Es mag ein bisschen altmodisch klingen, aber wir von IMKIS halten von diesen Vorschlägen nichts. Kurt Tucholsky hat einmal schön illustriert, dass es gefährlich ist, Banalitäten aufzublasen wie Kinderballons – es kann immer sein, dass dann jemand mit der Nadel der Vernunft hineinsticht und nicht viel übrig bleibt.

Die Hoffnung, für schlau gehalten zu werden, wenn man sich unverständlich ausdrückt, ist wissenschaftlich auch nicht haltbar, im Gegenteil: Der geniale amerikanische Psychologie-Professor Daniel M. Oppenheimer (unter anderem tätig in Princeton und Stanford) hat einmal den alternativen Nobelpreis erhalten für eine Forschungsarbeit, die das genaue Gegenteil zeigt. Bei gleichem Informationsgehalt hält man die Verfasser:innen von einfachen Texten für intelligenter als solche, die die gleiche Sache kompliziert ausdrücken.