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Der Klempner und die Mimose

Zum Handwerk der Presse gehört das Rosinenpicken. In Reden, Pressemitteilungen oder Interviews ragt oft eine einzelne Formulierung heraus – genau die wird natürlich in den Medien zitiert. Neue Metaphern zum Beispiel sind oft unwiderstehlich …

Stefan Brunn

In unseren Redenschreiben-Seminaren besprechen wir mit den Teilnehmenden regelmäßig Strategien, wie man etwas im Text platziert, das beim Publikum garantiert hängen bleibt. Dazu gehören neue Metaphern. Wolfgang Bosbach zum Beispiel beherrscht es meisterhaft, solche Bilder in den Köpfen zu konstruieren. „Ich will nicht immer die Kuh sein, die quer steht im Stall“, sagte er einmal, als es darum ging, dass er im Parlament nicht mehr gegen die eigene Fraktion stimmen wolle. Natürlich griffen die Medien tags darauf diese Metapher gern auf, viele machten sie auch zur Überschrift.

Hat man diesen Mechanismus einmal kapiert, steckt man natürlich gern etwas Mühe in das Ausdenken solch rhetorischer Perlen. Am Ende sind sie es, die hängen bleiben – und eben nicht die zehn anderen Manuskriptseiten, die man sorgfältig argumentativ gegliedert und formuliert hat.

Einige im Politikbetrieb denken sich also regelmäßig schöne Sprachbilder aus, um Aufmerksamkeit für eigene Themen und Positionen zu bekommen. Aber selten ist in den letzten Jahrzehnten im Deutschen Bundestag die rhetorische Kreativität so aufgefallen wie in der vergangenen Woche bei der Generaldebatte. Für uns mit dem Blick auf Rhetorik war das natürlich außergewöhnlich spannend.

Friedrich Merz hatte zur Debatte etwa folgendes Bild mitgebracht, gerichtet an Olaf Scholz: „Wenn Sie die Jacke unten falsch einknöpfen, dann diskutieren wir nicht mit Ihnen, wie groß der Knopf im letzten Loch sein sollte.“ Scholz reagierte darauf mit einer Bemerkung, die – bewusst oder intuitiv – in der Modebranche blieb, indem er die Schuldzuweisungen von Merz als „in dieser Situation ganz kleines Karo“ bezeichnete.

Scholz hatte aber auch eigene Metaphern aus anderen Bereichen mitgebracht. Eher floral war sein inzwischen viel zitierter Satz: „Wenn Sie dann mal kritisiert werden, dann sind Sie eine Mimose.“ Rhetorisch auch nicht übel, aber aus einem ganz anderen Bereich (dem Sport) entliehen war sein Vorwurf: „Wer gerne boxt, sollte kein Glaskinn haben. Aber Sie haben ein ganz schönes Glaskinn, Herr Merz.“

In der Presse wurde nach dem Schlagabtausch gemutmaßt, Scholz habe Merz im Bundestag mit den eigenen Waffen schlagen wollen. Mutmaßlich wollte Scholz einen Konter setzen gegen Merz‘ Attacke vom November, bei der er Scholz mit einem planlosen Handwerker verglichen hatte. Bekanntlich hatte Merz seinen Kontrahenten einen „Klempner der Macht“ genannt, der „es einfach nicht könne“.

Im Nachgang des Duells fanden übrigens etliche andere Politikerinnen und Politiker ihren Spaß daran, noch Metaphern hinterherzuschieben. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr verteidigte etwa die Politik der Ampel-Koalition mit dem Hinweis darauf, dass „wir den Scherbenhaufen nicht schnell genug zusammenkehren, den Sie hinterlassen haben“. Oder Tilman Kuban, der ehemalige Vorsitzende der Jungen Union: „Olaf Scholz hat mit seinen Tricks und seinem Auftritt nicht nur das Tischtuch zerschnitten, sondern den ganzen Tisch zersägt.“

Wenn es nach uns geht, kann’s so weitergehen. Metaphern machen die Sprache schön anschaulich. Ihr Nachteil ist allerdings, dass man sich mit ihnen nicht konkret verständigt, was Deutschland vielleicht auch nicht schaden würde.

Die sieben Einstiege des Grauens

„Eine gute Ausbildung ist die beste Voraussetzung, um später auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.“ Wer Binsenweisheiten wie diese an den Anfang seines Textes setzt, hat sein Publikum im Nu eingeschläfert. Wir nennen noch einige andere Tricks, wie man es gleich ganz vorn im Text versemmelt!

Von Stefan Brunn

Wir haben für Sie einmal sieben „Einstiege des Grauens“ aufgelistet. Die Einstiege kann man wahlweise in Reden oder Pressemitteilungen verwenden, in Berichten, bei Statements oder in Podiumsdiskussionen …

Nummer 1, der Klassiker, der gleich anzeigt, dass es nur um olle Kamellen geht:

Der historische Einstieg
„Ich erzähle Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass es schon Bismarck nur teilweise gelang, die Öffentlichkeit aus politischen Entscheidungsprozessen herauszuhalten oder in seinem Sinne zu beeinflussen.“

Nummer 2 macht das Lesen von Anfang an zur Tortur:

Der Stolperstein-Einstieg
„Das Projekt NQ RuK – Nachqualifizierung rund um Karlsberg der Handwerkskammer für Mittelhessen hat es sich im Rahmen des Programmes ,Perspektive Berufsabschluss‘ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Ziel gesetzt, …“

Nummer 3 arbeitet sich erst mal an unwichtigsten Details ab:

Der Rahmen-Einstieg
„Anstatt der Mitglieder der Kreistagsausschüsse trafen sich am 29. November um 11 Uhr im kleinen Sitzungssaal des Landratsamtes Bernhausen Vertreterinnen und Vertreter örtlicher Sportvereine, um …“

Nummer 4 verscherzt sich sofort alle Sympathien durch stinkendes Eigenlob:

Der Selbstbeweihräucherungs-Einstieg
„Lassen Sie mich als Experten mit meiner langjährigen Erfahrung als Chief Executive Officer, die mich prädestinieren für …“

Nummer 5 fängt weit vor dem Anfang an, gern zum Beispiel bei Begriffsklärungen:

Der Definitions-Einstieg
„Zunächst einige wichtige Überlegungen zu den Termini, die im Folgenden verwendet werden …“

Nummer 6 will sich ohne Zögern ranschmeißen ans Publikum:

Der schwülstige Einstieg
„Ich habe lange darauf gewartet und es ist mir eine besondere Ehre, aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Taxifahrerinnung Offenbach-Ost zu Ihnen zu sprechen …“

Nummer 7 hat das Geschäftsmodell, Eulen nach Athen zu tragen:

Der Klischee-Einstieg
„Ich begrüße Sie ganz herzlich in Frankfurt, der Stadt Goethes, der Banken und des Apfelweins …“

Wenn Sie NICHT wollen, dass jemand Ihnen zuhört oder Ihren Text liest oder Sie positiv kennenlernt, wählen oder kombinieren Sie unbedingt einen dieser sieben Einstiege – der Misserfolg ist Ihnen sicher!