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Die sieben Einstiege des Grauens

„Eine gute Ausbildung ist die beste Voraussetzung, um später auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.“ Wer Binsenweisheiten wie diese an den Anfang seines Textes setzt, hat sein Publikum im Nu eingeschläfert. Wir nennen noch einige andere Tricks, wie man es gleich ganz vorn im Text versemmelt!

Von Stefan Brunn

Wir haben für Sie einmal sieben „Einstiege des Grauens“ aufgelistet. Die Einstiege kann man wahlweise in Reden oder Pressemitteilungen verwenden, in Berichten, bei Statements oder in Podiumsdiskussionen …

Nummer 1, der Klassiker, der gleich anzeigt, dass es nur um olle Kamellen geht:

Der historische Einstieg
„Ich erzähle Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass es schon Bismarck nur teilweise gelang, die Öffentlichkeit aus politischen Entscheidungsprozessen herauszuhalten oder in seinem Sinne zu beeinflussen.“

Nummer 2 macht das Lesen von Anfang an zur Tortur:

Der Stolperstein-Einstieg
„Das Projekt NQ RuK – Nachqualifizierung rund um Karlsberg der Handwerkskammer für Mittelhessen hat es sich im Rahmen des Programmes ,Perspektive Berufsabschluss‘ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Ziel gesetzt, …“

Nummer 3 arbeitet sich erst mal an unwichtigsten Details ab:

Der Rahmen-Einstieg
„Anstatt der Mitglieder der Kreistagsausschüsse trafen sich am 29. November um 11 Uhr im kleinen Sitzungssaal des Landratsamtes Bernhausen Vertreterinnen und Vertreter örtlicher Sportvereine, um …“

Nummer 4 verscherzt sich sofort alle Sympathien durch stinkendes Eigenlob:

Der Selbstbeweihräucherungs-Einstieg
„Lassen Sie mich als Experten mit meiner langjährigen Erfahrung als Chief Executive Officer, die mich prädestinieren für …“

Nummer 5 fängt weit vor dem Anfang an, gern zum Beispiel bei Begriffsklärungen:

Der Definitions-Einstieg
„Zunächst einige wichtige Überlegungen zu den Termini, die im Folgenden verwendet werden …“

Nummer 6 will sich ohne Zögern ranschmeißen ans Publikum:

Der schwülstige Einstieg
„Ich habe lange darauf gewartet und es ist mir eine besondere Ehre, aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Taxifahrerinnung Offenbach-Ost zu Ihnen zu sprechen …“

Nummer 7 hat das Geschäftsmodell, Eulen nach Athen zu tragen:

Der Klischee-Einstieg
„Ich begrüße Sie ganz herzlich in Frankfurt, der Stadt Goethes, der Banken und des Apfelweins …“

Wenn Sie NICHT wollen, dass jemand Ihnen zuhört oder Ihren Text liest oder Sie positiv kennenlernt, wählen oder kombinieren Sie unbedingt einen dieser sieben Einstiege – der Misserfolg ist Ihnen sicher!

Pressemitteilungen sind in drei Jahren um 15 Prozent länger geworden!

Pressemitteilungen werden tendenziell länger, während ihre Überschriften kürzer werden. Das legt eine neue Studie nahe. Wir fassen die Ergebnisse kurz zusammen.

438 Wörter ist eine Pressemitteilung durchschnittlich lang. Wem das nicht viel sagt: Es entspricht ungefähr 3.000 Zeichen. Und wem auch das nicht viel sagt: Gibt man einen Text in dieser Länge in eine gut formatierte Muster-PM ein, erreicht man knapp das dritte Blatt, so wie in dieser Abbildung:

Woher stammt die Zahl 438? Eine Tochter der Deutschen Presse-Agentur namens „news aktuell“ hat über 30.000 Pressemitteilungen ausgezählt, um diesen Durchschnitt zu berechnen. Außerdem hat man ermittelt, wie lang die Überschriften sind: 90 Zeichen im Durchschnitt. Wenn wir so eine Überschrift in eine Muster-PM einsetzen, sieht das Ergebnis so aus:

Offenbar kümmert Pressestellen die alte Faustregel wenig, dass eine Meldung nur dann die dritte Seite erreichen sollte, wenn es wirklich etwas Wichtiges zu vermelden gibt. Und auch die Regel, dass die Hauptzeile nicht länger sein sollte als einzeilig, schert wohl die wenigsten. Beides ist übrigens dann unproblematisch, wenn es sich um gute Texte handelt: Dann lässt sich ein Text ja leicht von hinten kürzen und die Überschrift vom Redakteur auch leicht anpassen.

Gleichwohl denken viele Redakteur*innen jetzt vermutlich: Die wenigsten Pressemitteilungen sind wirklich so gut geschrieben, dass man sie von hinten kürzen und die Überschriften nur auskürzen muss. In Zeitungen jedenfalls sind Hauptzeilen deutlich kürzer.

Übrigens hat „news aktuell“ bei dieser Gelegenheit auch herausgefunden, dass die Headlines gegenüber einer vergleichbaren Erhebung vor drei Jahren leicht kürzer geworden sind: Damals war die Headline noch durchschnittlich 100 Zeichen lang.

Umgekehrt sieht es bei der Gesamtlänge von PM aus: Hier wurden aus 381 Wörtern 438 Wörter – eine Steigerung von satten 57 Wörtern oder 15 Prozent.

Ein weiteres Ergebnis der Auszählung betrifft den Versandzeitraum: Die meisten Pressemitteilungen werden donnerstags zwischen 10 und 12 Uhr verbreitet, gefolgt von Dienstag und Mittwoch. Deutlich unattraktiver sind Montag und Freitag, am wenigsten aktiv seien Kommunikatoren am Samstag, beschreibt Dr. Beatrix Ta von „news aktuell“ in ihrem Blogeintrag „Sieben Fakten zur Pressemitteilung“.

Ausgewertet wurde letztlich auch, wie stark die Zahl der Zugriffe auf Pressemitteilungen steigt, wenn diese von audiovisuellem Material begleitet werden, siehe Infografik:

Grafik: news aktuell – ein Unternehmen der dpa-Gruppe