Schlagwort: AI

Zu gut zum Überarbeiten

Fein formatiert, flüssig formuliert – und dazu fehlerfrei: Je besser die KI für uns Texte aufbereitet, desto unsinniger kommt uns eine Überarbeitung vor. Das führt zu einer Veränderungsresistenz, gegen die wir uns wehren müssen!

Von Hannah Molderings

Der UX-Designer Pavel Samsonov von der Nielsen Norman Group hat kürzlich in einer schönen Analyse herausgefunden, warum wir KI-Texte oft ungeprüft übernehmen: weil deren sprachliche Qualität uns vorgaukelt, dass auch der Inhalt korrekt ist. „Das ist eine Form von kognitiver Faulheit, die durch die Professionalität der Darstellung verstärkt wird.“ Der psychologische Mechanismus dahinter heißt Halo-Effekt: Ein positiver Eindruck überstrahlt mögliche Mängel. „Wenn ein Text aussieht, als wäre er von Experten geschrieben, wird er auch so behandelt – selbst wenn er Unsinn enthält“, sagt Samsonov.

Noch gravierender wird es, wenn Menschen die KI dort einsetzen, wo ihnen selbst das Fachwissen fehlt. Ein juristischer Text, ein medizinischer Artikel, eine wirtschaftliche Analyse: Ohne eigenes Verständnis bleibt nur der Schein der Korrektheit. Der Aufwand, solche Texte zu prüfen, ist hoch, weil wir die innere Logik, die Faktenbasis und die Argumentationsstruktur erst rekonstruieren müssen. „Solche KI-Texte lassen sich schlechter verändern, weil sie nicht aus unserem Denken entstanden sind. Sie fühlen sich abgeschlossen an“, so Samsonov. Wer an einem KI-Text etwas ändern wolle, müsse ihn gedanklich zuerst aufbrechen.

So entsteht ein oft unterschätztes Problem: die Veränderungsresistenz bei KI-Texten. Die Hemmschwelle, ein bereits vorliegendes Ergebnis zu überarbeiten, ist hoch – nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern weil der Text bereits eine gewisse Wirklichkeit geschaffen hat und fertig wirkt. Damit scheint sich die Notwendigkeit der Revision zu erübrigen. Samsonov beschreibt dieses Phänomen als Teufelskreis der Effizienz: „Je einfacher es ist, einen Text zu erzeugen, desto schwieriger wird es, ihn sinnvoll zu ändern.“ Was als Effizienzgewinn beginnt, endet in intellektueller Trägheit.

Das habe Folgen, meint Samsonov: Wir werden sukzessive passiver im Umgang mit Text. Statt zu gestalten, übernehmen wir. Statt zu hinterfragen, akzeptieren wir. Und je mehr wir uns daran gewöhnen, desto weniger sehen wir den Bedarf für Kontrolle. Die überzeugende Form erzeugt eine trügerische Sicherheit.

Die Folge sei eine paradoxe Entwicklung: Je mehr Texte wir von KI bekommen, desto weniger werden sie hinterfragt – gerade weil sie oberflächlich so gut sind. Dadurch werden unsere eigenen redaktionellen Fähigkeiten schwächer, unsere Urteilsfähigkeit stumpft ab. Ein Werkzeug, das uns unterstützen sollte, macht uns träger.

KI-Texte sind kein Ersatz für Denken. Sie können Ideen strukturieren, Prozesse beschleunigen und Inspiration liefern. Aber sie verlangen immer kritisches Lesen und aktives Mitdenken. Wer mit KI schreibt, muss lernen, ihr zu misstrauen.


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Drei nutzerfreundliche KI-Adressen für Anfänger

Wir nennen Ihnen drei Seiten, auf denen Sie kostenlos und ohne jede Anmeldung mit künstlicher Intelligenz arbeiten können. Für simple Aufgaben reicht das oft völlig aus.

Von Stefan Brunn

Künstliche Intelligenz schnell mal ohne Anmeldung nutzen zu können, ist nicht nur für Anfänger interessant: Manchmal nutzt man ja fremde Rechner oder braucht Hilfe bei so simplen Aufgaben, dass sich eine Anmeldung gar nicht lohnt. Am besten merken Sie sich dafür imkis.de/schnellki, dann haben Sie folgende Links immer parat:

Ecosia

Eine sehr aufgeräumte Seite mit einfacher Usability, um ChatGPT in der kostenlosen Variante zu nutzen. Hier erklärt sich eigentlich alles von selbst.  Die Seite ist immer erreichbar und enthält keine Werbung.

Perplexity

Diese kostenlose KI-Maschine ist ganz anders aufgebaut, eher wie eine Suchmaschine, die Antworten liefert statt Trefferlisten und mit der man drüber sprechen kann. Aber sie ist ähnlich übersichtlich gestaltet wie der Ecosia-Chat und lässt sich ähnlich niedrigschwellig nutzen.

Llama

Auch diese Seite ist sehr schlicht und sie kommt auch von Perplexity – aber hier nutzt man eine völlig andere KI, nämlich die der Mutter von Facebook und WhatsApp: Sie nennt sich Llama. In der Version 3 (rechts unten anwählbar) liefert sie bei manchen Aufgaben ähnlich gute oder sogar bessere Ergebnisse als ChatGPT.


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Unsere Blutgruppen kennen sie alle!

Wie oft passiert es Dialog-KI, bei einfachen Wissensfragen falsche Antworten zu liefern? Wir haben das bei den bekanntesten KI-Chatbots anhand von 100 zeitlosen Fakten geprüft.

Von Stefan Brunn

Die Ergebnisse unseres Tests im Überblick.

Welche Dialog-KI macht die wenigsten Fehler, wenn man nach zeitlosen Fakten fragt? Das wollten wir wissen und haben deshalb einen kleinen Vergleich auf der Grundlage von 100 Fragen angestellt – solchen wie „Wie viele Rippenpaare hat der Mensch“ oder „Wer überflog als erstes den Nordpol?“ Unsere Fragen aus unterschiedlichen Wissensbereichen der Kultur- und Naturwissenschaften haben wir ausschließlich aus einem Buch geschöpft, es heißt: „Das große Humboldt-Quizbuch“. Alle 100 Fragen dokumentieren wir hier zusammen mit unserem Prompt. Unser Vergleich hält sicherlich keinen wissenschaftlichen Ansprüchen stand. Dazu hätten wir, unter anderem, jede Frage ganz oft stellen müssen. Die KI-Chatbots liefern nämlich nicht jedes Mal dasselbe Ergebnis, sondern die Ergebnisse können durchaus variieren. Trotzdem erwartet natürlich, wer diese KI nutzt, jedes Mal ein richtiges Ergebnis.

Ziel unseres Experiments war zu messen, wie viele falsche Antworten bei einfachen Wissensfragen gegeben werden. Geprüft haben wir sechs Dialog-KI: Bing, Chat-GPT (Version 4), Gemini, Llama (Version 3), Mistral und You.com. Keine Maschine lieferte alle Antworten fehlerfrei. Am Ende waren die Unterschiede aber überraschend gering: Der Sieger Llama geht mit nur 8 falschen Antworten vom Platz. Knapp dahinter folgen dann schon ChatGPT (9 Fehler) und You.Com (10). Man sieht also insgesamt, dass alle KIs bei einfachen Wissensfragen ganz gut abliefern. Vor allem bei feststehenden Fakten liefern alle ab: So nennen alle zuverlässig die vier Hauptblutgruppen des Menschen, wissen, wer „Die Buddenbrooks“ geschrieben hat und dass ein Tarockspiel 78 Karten enthält.

Bei einigen Fragen hatte man aber fast den Eindruck, hier wurden die KIs richtig kreativ: Hinter dem Begriff „Achtender“ zum Beispiel vermutete Llama einen „Jäger, der acht Hirsche erlegt hat“. Gemini wiederum nannte „Ein acht Jahre alter Rothirsch“ als Antwort. Große Schwierigkeiten hatten die KIs auch dabei, ein bestimmtes Straßenschild richtig zu benennen. Ein blaues rundes Schild mit rotem Rand und Querbalken steht natürlich für eingeschränktes Halteverbot. Die Antworten reichten hier allerdings von „Autobahn“ über „Einfahrt verboten“ bis hin zu „Vorfahrt achten“.

Eine einzige Frage konnte keine KI beantworten, nämlich: „Wie nennen Typografen Buchstaben aus einer fremden Schrift, die sich eingeschlichen haben?“ Hier reichten die Antworten von „Glyphen“ über „Fremdkörper“ bis hin zu „Bastarde“. Alles falsch! Die richtige Antwort wäre gewesen: „Zwiebelfische“. Dieses Versagen ist zugleich eine Spur, die wir bei künftigen Vergleichen weiterverfolgen wollen: Je spezieller eine Frage ist (also je weniger Trainingsdaten vorhanden), desto weniger wahrscheinlich die richtige Antwort. Fragt man nämlich andersherum: Was ist ein „Zwiebelfisch“?, kriegen alle die richtige Antwort sofort hin.


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