Schlagwort: Begriffe

Alles Trauma oder was?

Psychologische Fachbegriffe finden immer häufiger Eingang in unsere Alltagssprache: Überall ist von Trauma, Triggern, Narzist:innen und Co. die Rede. Wir zeigen, warum der inflationäre Gebrauch dieser Wörter nicht nur nervig, sondern auch problematisch ist.

Von Katrin Liffers

„Ich hab’ echt ein Trauma von der Mathestunde heute!“

„Mein Ex-Freund ist ein richtiger Narzisst!“

„Das Wetter macht mich richtig depressiv!“

Sind Ihnen solche Formulierungen auch schon zu Ohren gekommen? Immer mehr Begriffe aus der Psychologie haben mittlerweile Eingang in unseren Alltag gefunden. Sei es in Gesprächen mit Freund:innen, in Talkshows oder Videos.

Auf den ersten Blick ist das natürlich ein schönes Phänomen. Es kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass wir uns immer mehr mit unserer Psyche auseinandersetzen, unsere Gefühle hinterfragen und sie nicht verdrängen. Und weil psychische Krankheiten immer weniger tabuisiert werden, trauen wir uns auch häufiger, offen über dieses Thema zu sprechen.

Schwierig ist allerdings, dass diese Begriffe in vielen Fällen gar nicht auf den medizinischen Aspekt verweisen, den sie eigentlich bezeichnen. Viel mehr stellt das Phänomen eine typische Konsequenz der Aufmerksamkeitsökonomie dar: In einer Welt, in der alles schneller, besser, lauter sein muss, reicht es nicht mehr aus, Sachverhalte realistisch darzustellen. Stattdessen braucht es starke Übertreibungen, um wirklich wahrgenommen zu werden. Und deshalb nervt einen das Verhalten der besten Freundin dann nicht mehr – es triggert einen.

Das Problematische daran: Der inflationäre Gebrauch der Fachbegriffe rückt ihre tatsächliche Bedeutung in den Hintergrund. Wer kann unterscheiden, ob jemand eine echte Panikattacke hatte oder sich einfach nur stark aufgeregt hat? Und ist die Partnerin wirklich toxisch oder hat sie vielleicht einfach nur was Blödes gemacht? Den tatsächlich Betroffenen schwindet so immer mehr die Möglichkeit, ihre Krankheit sichtbar zu machen. Und damit auch die Möglichkeit, dass sie ernst genommen werden und angemessene Hilfe erhalten. Denn wenn jeder Zweite traumatisiert ist, dann kann das ja gar nicht so schlimm sein.

Fazit: Dass Begriffe ihre ursprünglichen Anwendungsbereiche verlassen, ist kein neues Phänomen und nicht per se problematisch: In vielen Fällen gewinnt unsere Sprache dadurch. Aber immer dann, wenn Gefühle oder Probleme durch inflationären Gebrauch entwertet werden, lohnt es sich, noch mal nachzudenken. Dann war der Einkauf nach den Feiertagen vielleicht einfach nur anstrengend und nervig, aber eben nicht traumatisch.

Neue Wörter: Einwechseln klappt selten!

Es gab in den letzten Jahrhunderten viele Versuche, Fremdwörter durch deutsche Begriffe zu ersetzen. Manche Vorschläge setzten sich tatsächlich durch – andere sind sang- und klanglos wieder untergegangen. Wir stellen einige lustige wie kuriose Schöpfungen vor.

Von Andrea Rayers

Hätten sich die Fremdwort-Kritiker durchgesetzt, würden wir heute wohl „Krautbeschreiber“ statt „Botaniker“ sagen oder „Spitzgebäude“ statt „Pyramide“. Um Fremdwörter wie diese aus der deutschen Sprache zu vertreiben und dafür deutsche Begriffe einzuführen, bildeten sich immer wieder eigene Sprachgesellschaften. Eine erste schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Die Kritiker schafften es beispielsweise, „Bücherei“ statt „Bibliothek“, „Rechtschreibung“ statt „Orthographie“ oder „Verfasser“ statt „Autor“ zu etablieren.

Auch knapp 300 Jahre später gab es eine Bewegung, die sehr erfolgreich war: Ab 1885 verbannte der „Allgemeine Deutsche Sprachverein“ viele französische Fremdwörter aus der deutschen Sprache und ersetzte sie durch Ausdrücke, die wir heute ganz selbstverständlich verwenden: Aus „Perron“ wurde der „Bahnsteig“, aus dem „Coupé“ das „Abteil“ oder aus dem „Automobil“ das „Kraftfahrzeug“.

Heute sind eher englische Ausdrücke ein Dorn im Auge von Sprachpuristen. Seit 1997 gibt es beispielsweise den „Verein Deutsche Sprache“. Er macht in seinem Anglizismen-Index Vorschläge, wie englische Fremdwörter und „denglische“ Bezeichnungen auf Deutsch ausgedrückt werden können: zum Beispiel „Prallkissen“ statt „Airbag“ oder „Nachfeier“ statt „After-Show-Party“.

Viele Wortschöpfungen der Geschichte wurden schnell verworfen: „Neupfund“ für „Kilo“ zum Beispiel, „Meuchelpuffer“ für „Pistole“ – und nicht ohne Spott vermutlich so etwas wie „Jungfernzwinger“ für „Nonnenkloster“ oder „Zeugemutter“ für „Natur“.

Sinnbildlich waren viele dieser Bildungen allemal. Denn was kann man sich noch lebhafter vorstellen als „mit Fieber auf dem Sofa“ zu liegen? „Mit Zitterweh auf dem Lotterbett“.

Wollen Sie das Haus mit Grundstück oder ohne?

In der Pressearbeit kursieren mehrere Worte für das gleiche Werkzeug, unter anderem „Pressemitteilung“ und „Presseerklärung“. Das sind aber andere Formen, und beide haben ihre Nachteile. Wir dröseln den Unterschied für Sie in aller Kürze auf.

Von Andrea Rayers

Natürlich existieren neben „Pressemitteilung“ und „Presseerklärung“ noch andere Bezeichnungen, sogar in Fachbüchern: Manche sprechen von „Medieninformationen“ oder „Presseinfo“, andere wählen englische Begriffe wie „press release“ oder beschränken sich auf „News“ oder „Info“. Wir plädieren aber dafür, die seit Jahrzehnten etablierten Begriffe „Pressemitteilung“ und „Presseerklärung“ zu benutzen – dabei aber deren wesentlichen Unterschied zu berücksichtigen.

Im Prinzip ist es wie beim Hauskauf: Es hat seine Vorteile, wenn man sich auch um ein Grundstück bemüht. Das ist natürlich viel anstrengender und teurer, aber ohne Grundstück ist ein Hauskauf oft auch sinnlos. Wir schildern zunächst die Unterschiede und zeigen sie dann ganz konkret an Bildbeispielen.

Pressemitteilung:
Die Pressemitteilung ist im Idealfall nach der Nachrichtenpyramide aufgebaut und enthält direkt in den ersten Sätzen alle wichtigen Infos zur Neuigkeit. Im Textverlauf kommen kurze Zitate vor, in denen Sachstände eingeordnet oder bewertet werden.
Vorteil: Die Leserinnen und Leser sind in kürzester Zeit über das Wichtigste informiert. Wenn Sie Ihre Nachricht nach den Regeln einer Pressemitteilung verfassen und sie so der Redaktion auf dem Silbertablett präsentieren, haben Sie auch bei personell schlecht ausgestatteten Blättern gute Chancen, abgedruckt zu werden – der Bericht läuft dann manchmal unverändert ins Blatt bzw. auf die Website.
Nachteil: Platz für lange Statements bleibt nicht. Wenn Sie etwas wörtlich sagen möchten, sollten Sie sich in Ihren Zitaten relativ kurz fassen. Außerdem macht es natürlich mehr Mühe, eine handwerklich korrekte Pressemitteilung zu schreiben und gegebenenfalls den Kontext der Nachricht zu recherchieren.

Und jetzt im Vergleich dazu die Presseerklärung:

Presseerklärung:
Die Presseerklärung erhebt nicht den Anspruch, die wichtigste Nachricht in den Fokus zu stellen, sondern skizziert sie nur rudimentär. Stattdessen besteht die Presseerklärung hauptsächlich aus einem oder mehreren langen Zitaten von jemandem, der zu einem bestimmten Thema Stellung bezieht. Viele Politiker*innen, vor allem die MdB, bauen ihre Mitteilungen nach diesem Schema auf.
Vorteil: Sie haben viel Platz für das eigene Statement und können viele Argumente einbringen.
Nachteil: Die Redaktion bekommt nur Ihre Sichtweise auf den Schreibtisch. Das Drumherum, die eigentliche Nachricht und den Stand der Dinge muss sie sich im Zweifelsfall selbst erarbeiten. Das ist fehleranfällig und manchen Redaktionen zu viel Arbeit – und, noch schlimmer: Hat ein Konkurrent sich die Mühe gemacht und die Situation in einer Pressemitteilung aufbereitet, haben Sie das Nachsehen: Dann wird gerne die fertige Pressemitteilung – und somit die Sicht der Gegenseite – als Basis-Text genommen und im besten Fall mit einem kurzen Zitat von Ihnen ergänzt.

Und jetzt die Bildbeispiele, zunächst eine echte „Pressemitteilung“, samt inhaltlichem Framing (Grundstück sozusagen): Hier geht es nicht um die Position einer oder eines MdB beziehungsweise ein Zitat, sondern der Text bereitet diese Inhalte vor und moderiert sie. Das macht es Redaktionen viel leichter, den Text oder wesentliche Bestandteile davon zu übernehmen.

  Auch der folgende Text nennt sich „Pressemitteilung“. Genau genommen ist er aber nur eine „Presseerklärung“. Ihm fehlt das inhaltliche Framing bzw. Grundstück: