Schlagwort: Fremdwörter

Planvoll prätentiös

Sprachliches Blendwerk entwickelt sich offenbar zu einer allgemein akzeptierten Strategie. Wie kann ich etwas Banales so formulieren, dass es möglichst hochtrabend klingt? Entsprechende Techniken sind salonfähig geworden. Wir zeigen einige Beispiele.

Von Stefan Brunn

„Stil ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach zu sagen – nicht umgekehrt.“ Das hat der Schriftsteller Jean Cocteau gesagt. Und sinngemäß sind ihm in Deutschland viele Lehrbücher gefolgt mit der Forderung, den Ball sprachlich flach zu halten. Der berühmte Wolf Schneider etwa hat sich zeitlebens gegen „verbales Imponiergehabe“ eingesetzt, der Schriftsteller Eckhard Henscheid sogar ein ganzes Lexikon „Dummdeutsch“ dazu erarbeitet. Ob’s was genützt hat? Es sieht eher nicht so aus. An deutschen Schulen und Universitäten jedenfalls hat sich eine Szene etabliert, die aufs genaue Gegenteil setzt: strategisches Schlautun mit Bildungsvokabeln. Drei Beispiele:

Beispiel 1: die gWriters
Die Firma gWriters, laut Selbstauskunft „ein führender internationaler Anbieter für Ghostwriting, Lektorate & Übersetzungen“ mit „über 3000 akademischen Ghostwritern & Autoren“, rät in ihrem Blog dazu, möglichst schlaue Substantive und Verben zu nutzen. Man hat dafür ganze Listen erstellt. Empfohlen wird zum Beispiel, „adäquat“ zu sagen statt „angemessen“, „eminent“ anstelle von „sehr“, „evaluieren“ statt „bewerten“ und so weiter. Das gilt also für Adjektive und Verben, aber mindestens genauso für Substantive: „Novität“ statt „Neuigkeit“, „Quintessenz“ statt „Hauptpunkt“ oder „Kontrahent“ statt „Konkurrent“. Maxime: je ungeläufiger, desto besser! Das ist genau das Gegenteil von dem, was Stillehrer:innen empfehlen …

Beispiel 2: das Wörterbuch der Bildungssprache
In die gleiche Kerbe schlägt das „Wörterbuch der Bildungssprache“ von Sven Edmund Lennartz, der auch die Website Bildungssprache.net betreibt. Er meint, kaum ein Artikel, der auch nur halbwegs anspruchsvoll sein wolle, komme ohne Bildungssprache aus. Hier einige vorbildliche Mustersätze für Bildungsprotze aus seinem bereits in zweiter Auflage erschienenen Wörterbuch: „Ihre adoleszenten Energien wollten abgebaut werden.“ Oder: „Das Immunsystem kämpft bereits seit Äonen für unser Überleben.“ Oder: „Die Agglomeration verbraucht zunehmend mehr Fläche.“

Beispiel 3: Netzlehrer Bob Blume
Auch Bob Blume setzt sich dafür ein, dass Schüler:innen und Student:innen ihre Sprache durch gehobenes Vokabular anreichern. Er schlägt vor, immer mal wieder „edukative Wörter“ einzustreuen und nennt ganz konkrete Beispiele: „arriviert“, „changieren“, „reüssieren“ oder „desavouieren“. Sein YouTube-Kanal hat über 19.000 Abonnenten, kürzlich hat ihn das baden-württembergische Kultusministerium sogar um ein Grußwort zur Digitalen Bildungsplattform des Landes gebeten.

Es mag ein bisschen altmodisch klingen, aber wir von IMKIS halten von diesen Vorschlägen nichts. Kurt Tucholsky hat einmal schön illustriert, dass es gefährlich ist, Banalitäten aufzublasen wie Kinderballons – es kann immer sein, dass dann jemand mit der Nadel der Vernunft hineinsticht und nicht viel übrig bleibt.

Die Hoffnung, für schlau gehalten zu werden, wenn man sich unverständlich ausdrückt, ist wissenschaftlich auch nicht haltbar, im Gegenteil: Der geniale amerikanische Psychologie-Professor Daniel M. Oppenheimer (unter anderem tätig in Princeton und Stanford) hat einmal den alternativen Nobelpreis erhalten für eine Forschungsarbeit, die das genaue Gegenteil zeigt. Bei gleichem Informationsgehalt hält man die Verfasser:innen von einfachen Texten für intelligenter als solche, die die gleiche Sache kompliziert ausdrücken.

Neue Wörter: Einwechseln klappt selten!

Es gab in den letzten Jahrhunderten viele Versuche, Fremdwörter durch deutsche Begriffe zu ersetzen. Manche Vorschläge setzten sich tatsächlich durch – andere sind sang- und klanglos wieder untergegangen. Wir stellen einige lustige wie kuriose Schöpfungen vor.

Von Andrea Rayers

Hätten sich die Fremdwort-Kritiker durchgesetzt, würden wir heute wohl „Krautbeschreiber“ statt „Botaniker“ sagen oder „Spitzgebäude“ statt „Pyramide“. Um Fremdwörter wie diese aus der deutschen Sprache zu vertreiben und dafür deutsche Begriffe einzuführen, bildeten sich immer wieder eigene Sprachgesellschaften. Eine erste schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Die Kritiker schafften es beispielsweise, „Bücherei“ statt „Bibliothek“, „Rechtschreibung“ statt „Orthographie“ oder „Verfasser“ statt „Autor“ zu etablieren.

Auch knapp 300 Jahre später gab es eine Bewegung, die sehr erfolgreich war: Ab 1885 verbannte der „Allgemeine Deutsche Sprachverein“ viele französische Fremdwörter aus der deutschen Sprache und ersetzte sie durch Ausdrücke, die wir heute ganz selbstverständlich verwenden: Aus „Perron“ wurde der „Bahnsteig“, aus dem „Coupé“ das „Abteil“ oder aus dem „Automobil“ das „Kraftfahrzeug“.

Heute sind eher englische Ausdrücke ein Dorn im Auge von Sprachpuristen. Seit 1997 gibt es beispielsweise den „Verein Deutsche Sprache“. Er macht in seinem Anglizismen-Index Vorschläge, wie englische Fremdwörter und „denglische“ Bezeichnungen auf Deutsch ausgedrückt werden können: zum Beispiel „Prallkissen“ statt „Airbag“ oder „Nachfeier“ statt „After-Show-Party“.

Viele Wortschöpfungen der Geschichte wurden schnell verworfen: „Neupfund“ für „Kilo“ zum Beispiel, „Meuchelpuffer“ für „Pistole“ – und nicht ohne Spott vermutlich so etwas wie „Jungfernzwinger“ für „Nonnenkloster“ oder „Zeugemutter“ für „Natur“.

Sinnbildlich waren viele dieser Bildungen allemal. Denn was kann man sich noch lebhafter vorstellen als „mit Fieber auf dem Sofa“ zu liegen? „Mit Zitterweh auf dem Lotterbett“.

Mit verwechselten Fremdwörtern steht man dumm da!

Bei Tippfelhern ist jedem klar: Wer sie geschrieben hat, kennt die richtige Schreibweise trotzdem. Das ist bei fehlerhaft geschriebenen Fremdwörtern anders. Vor allem dann, wenn ein oder zwei Buchstaben einen ganz anderen Sinn ergeben …

Von Stefan Brunn

Natürlich weiß Gabor Steingart, in dessen Newsletter dieser Klops erschien, was ein Ressort ist. Er war ja selbst mal Ressortleiter beim Spiegel. Und selbst der Spiegel hat kein eigenes Ressort fürs Skifahren.

Bei den meisten anderen Leuten würde man aber schon daran zweifeln, dass sie diese Wörter auseinanderhalten können. Oft lächeln wir ja still in uns hinein, wenn jemand Rezension und Rezession, Präsens und Präsenz, Referenz und Reverenz verwechselt. Bastian Sick hat sich in seiner Spiegel-Kolumne Zwiebelfisch einmal köstlich darüber amüsiert, dass seine Nachbarin Frau Jackmann und seine Freundin Sibylle solche Fremdwörter wie „Dispositionsfarbe“ konstruieren und „integrieren“ mit „intrigieren“ verwechseln. Da schwingt immer auch Schadenfreude mit: Geschieht ihnen ganz recht, wenn sie unbedingt Fremdwörter benutzen wollen, aber dafür zu ungebildet sind! Das sind halt echte Koniferen, kicher!

Klar ist aber auch, dass es immer Leute gibt, die schlauer sind als man selbst. Und im Eifer des Gefechts verwechselt man dann selbst ja auch schon mal „empathisch“ mit „emphatisch“.

Wer sich aufbläst, dem kann man auch die Luft rauslassen, indem man mit der Nadel hineinsticht: Dieses Bild hat uns der große Stilist Kurt Tucholsky hinterlassen. Den zitiert übrigens auch Gabor Steingart sehr gern.

Die lustigsten deutschen Wortexporte

Bekanntlich importiert Deutschland sehr viele Wörter aus anderen Sprachen. Aber andere Sprachen übernehmen bisweilen auch deutsche Wörter – nicht immer bleiben Form und Bedeutung bestehen …

Von Stefan Brunn

Im Exportieren ist Deutschlands Wirtschaft immer noch stark – auch wenn uns die Chinesen den Weltmeistertitel abgenommen haben. Mit unseren Sprachexporten dagegen liegen wir weit hinter anderen Sprachen, vor allem natürlich hinter dem Englischen.

Das heißt aber nicht, dass unsere Sprache nicht doch im Ausland Spuren hinterlassen würde. Der Deutsche Sprachrat hat schon vor Jahren einmal unter Deutschen, die im Ausland leben, die dort verwendeten Wörter deutschen Ursprungs gesammelt und 6.000 Wörter zurückbekommen!

Das dabei am häufigsten eingereichte Wort war „Vasistas“ – so nennen die Franzosen ein kleines Oberlicht im Flur. Auf den Plätzen folgten „Kindergarten“, „Butterbrot“, „kaputt“ und „Schadenfreude.“

Spannender sind aber die selteneren Begriffe. „Vigéc“ nennen zum Beispiel die Ungarn einen Vertreter – offenbar war „Wie geht’s?“ ein beliebter Spruch vor der Haustür. In Kamerun nimmt man am „Banop“ den Zug, vermutlich, weil die Deutschen dort die Eisenbahn gebaut haben. In Russland heißt der Netzstecker auch „Stjepselj“, was wohl vom Stöpseln kommt. „Strudel“ nennen die Isaelis das @-Zeichen, wie übrigens im Hebräischen auch eine „Schlafstunde“ (realdeutsch: Siesta) bekannt ist. Die Japaner sprechen von „Orugasumusu“ und „Impotentsu“, haben aber auch das „Winaschnittsero“ übernommen.

Man wird sich jedoch schon gedacht haben, dass die deutschen Auftritte im Ausland nicht immer erfreuliche Spuren hinterlassen haben. Das Beispiel „Blitzkrieg“ ist hinlänglich bekannt. Und wenn es in Afrikaans „Aberjetze!“ heißt, kann man sich den Ursprung schon bildhaft vorstellen …

Das Kolonial- und Kriegsdeutsch stellt aber in der Masse der deutschen Sprachexporte eine verschwindend geringe Minderheit dar. Eher schon gebrauchen die anderen Nationen unsere Grübel-Wörter wie „Weltanschauung“, „Leitmotiv“, „Sehnsucht“ oder „Zeitgeist“. Die international gute „Arubeito“ (Japanisch) des Beinahe-Exportweltmeisters nicht zu vergessen. Sie wird wunderbar konterkariert durch ein nettes Wort, das eine Frau in Finnland auf der Fahrtzielanzeige eines Busses fotografiert hat: Es heißt „Kaffeepausi“.