Schlagwort: Verständlichkeit

Selber, selber, lachen alle Kälber!

Wann sagt man „selbst“, wann „selber“? In geschriebenen Texten sollte es fast immer „selbst“ heißen. Es gibt aber Ausnahmen.

Von Stefan Brunn

Falls Sie sich manchmal fragen, wo eigentlich der Unterschied zwischen „selbst“ oder „selber“ liegt, dann seien Sie beruhigt: Semantisch gibt es gar keinen, die Wortbedeutungen sind gleich. Allerdings finden Sie in einschlägigen Stilratgebern den Rat, schriftlich immer nur „selbst“ zu schreiben. „Selber“ klingt umgangssprachlich und kommt manchem deshalb zu informell vor.

So weit, so gut. Es gibt aber einige wenige Ausnahmen, wir nennen hier mal zwei:

1. In feststehenden Kompositionen
In einigen Kompositionen ist „selber“ geläufiger als „selbst“ – etwa beim „Selbermachen“. Warum das so ist? Keine Ahnung! Aber so wie „Selbstgemachtes“ geläufiger ist als „Selbergemachtes“, ist „Selbermachen“ einfach verbreiteter als „Selbstmachen“.
2. In Kurzantworten
Es kommt fast nur im Mündlichen vor, dass wir jemandem auf eine Bemerkung mit so etwas antworten wie „Selber“ oder „Das musst Du schon selber machen“ oder „Merkste selber, oder?“. Aber wenn uns jemand beschimpft, dann passt die Ein-Wort-Antwort „selbst“ nicht, es muss „selber“ heißen!

Kurzum: Sie machen nichts falsch, wenn Sie schriftlich immer „selbst“ schreiben. Die beiden Ausnahmen fallen Ihnen garantiert ein, wenn Sie mal zufällig im Begriff sind, jemandem patzig zu antworten. 😉

Alles im grünen Bereich?

Mit dem Textometer hat IMKIS ein neues Tool entwickelt, das die Verständlichkeit von Texten bewertet – in Schuljahren und fünf Stufen von sehr einfach bis sehr schwierig. Das Tool kann kostenlos auf unserer Website oder lokal auf dem eigenen PC verwendet werden.

Von Hannah Molderings

Ausprobieren können Sie den Textometer direkt unter diesem Artikel oder auf textometer.de!

Möchte man die Verständlichkeit eines Textes überprüfen, kann man das unter anderem mit Verständlichkeits-Tools machen. Auf der Basis von mathematischen Formeln bewerten sie, wie (un)verständlich ein Text geschrieben ist. Der Vorteil dieser Tools: Ihre Ergebnisse sind objektiv und die Arbeit mit ihnen lässt sich ohne großen Aufwand in Arbeitsprozesse integrieren. Das hilft dabei, einen festgelegten Qualitätsstandard zu etablieren.

Bisher existierende Tools haben allerdings so ihre Schwachstellen. Manche sind nicht zuverlässig erreichbar, andere liefern unzuverlässige Verständlichkeitswerte und bei wieder anderen findet man das Eingabefeld vor lauter Werbung nicht.

Deshalb hat IMKIS in den letzten Monaten mithilfe Künstlicher Intelligenz ein eigenes Verständlichkeits-Tool entwickelt – den Textometer. Er liefert zuverlässig schlüssige Ergebnisse, ist intuitiv bedienbar und komplett werbefrei. Man kann sogar die Seite auf dem eigenen Rechner abspeichern und die Maschine lokal benutzen – das ist ein großer Vorteil für alle, die ihre Texte nicht im Internet eingeben wollen oder dürfen. Die Datenmenge des Downloads ist verschwindend gering, zuletzt lagen wir bei unter 50 Kilobyte!

Im Folgenden beantworten wir weitere wichtige Fragen:

Wie funktioniert der Textometer?
Der Textometer misst die Verständlichkeit von Texten auf der Basis einer Formel, die wir von IMKIS entwickelt haben. Ihr Ergebnis haben wir Brunn-Liffers-Index (BLIX) genannt. Die Formel selbst ähnelt klassischen Verständlichkeitsformeln, vereinfacht aber die Wortzählung (nur in Buchstaben) und bewertet lange Wörter erst ab einer Länge von 15 Buchstaben als schwer verständlich. Dieser Unterschied hat zur Folge, dass ein Text auch dann noch als einfach bewertet wird, wenn er unvermeidbar sperrige Wörter enthält. Die genaue Formel des BLIX ist kein Geheimnis – sie lautet: [Anzahl aller Wörter/Anzahl aller Sätze] + [Anzahl langer Wörter x 100/Anzahl aller Wörter]

Wie kommen die Einstufung nach Schuljahren und das beurteilte Verständlichkeitsniveau zustande?
In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, den Benutzenden möglichst einfache Rückmeldungen zu ihren Texten zu geben. Der eine Wert, die Schuljahre, erleichtert die Zuordnung zu Niveaus aus dem realen Leben. Er gibt an, wie viele Schuljahre eine Person absolviert haben muss, damit sie den vorliegenden Text versteht. Der andere Wert, das Niveau in Worten, erleichtert es, sich selbst oder anderen Personen Zielvorgaben zu machen. Wir benutzen in unseren Seminaren sehr häufig eine der beiden Größen, um Texte besser zu machen. Zustande kommen die Rückmeldungen durch eine Einstufung nach dem gemessenen BLIX-Wert.

BLIX und Textometer insgesamt sind eine Gemeinschaftsentwicklung der beiden Germanisten Katrin Liffers und Stefan Brunn mit der Kognitionswissenschaftlerin Hannah Molderings und dem Datenjournalisten Sebastian Mondial.

Ausprobieren kann man den Textometer hier:

Wissenschaft auf dem Niveau von Heftchenromanen

Wirkt es nicht inkompetent oder grenzdebil, wenn man allzu kurze Sätze und Wörter schreibt? Diesen Zweifel hören wir oft, aber er ist unberechtigt. Wir heben einmal eine mehrfach ausgezeichnete Autorin heraus, die vorbildlich verständlich schreibt – und zugleich spannend und abwechslungsreich.

„Heftchenroman“. Das ist eine Stufe in der Verständlichkeits-Prüfmaschine Textinspektor.de. Aber soll das wirklich ein erstrebenswertes Niveau sein, so zu klingen wie ein Heftchenroman?

Ja, zumindest dann, wenn es darum geht, leicht verständliche Texte zu schreiben. Gibt man etwa eine Reportage der freien Journalistin Anke Sparmann in den Textinspektor ein, dann wirft er als Bewertung meist „Roman“ oder wirklich „Heftchenroman“ aus. Die Journalistin schreibt nämlich lauter kurze Sätze mit lauter kurzen Wörtern. Zu einfach? Nö. Anke Sparmann schreibt ganz großartige Reportagen für GEO, Zeit oder PM und ist dafür schon mehrfach ausgezeichnet worden.

Aber machen Sie sich selbst ein Bild! Wir verlinken hier einmal zwei ihrer Reportagen – für alle, die sehen wollen, wie man Wissenschaftsthemen in einer völlig unwissenschaftlichen Sprache spannend aufbereiten kann:

Arche oder Freizeitpark? Ein Blick hinter die Kulissen der neuen Zoos
Viele moderne Zoos setzen auf eine Kreuzung aus Freizeitpark und Schutzstation. Besucher gehen auf Expedition in Attrappen von Dschungel oder Savanne, Wildtiere dienen als Statisten. GEO
Pestizide und das Ende unserer Insekten
In Gärten und auf Feldern vollzieht sich ein Massensterben: Die Bestäuber verenden, Bienen, Käfer und Schmetterlinge, auf die unsere Nahrungspflanzen angewiesen sind. Als Täter unter schwerem Verdacht: Pestizide namens Neonicotinoide. Warum wurden sie überhaupt zugelassen? Warum sind sie nicht längst verboten? Ein Bericht über die Mühen, Unheil zu verhindern. GEO

Was macht Bücher optimal lesbar? Zwei Forscher zeigen es auf einer Seite!

Das Buch „What makes a book readable“ von 1935 gilt als Meilenstein der Verständlichkeitsforschung. Noch heute werden William S. Gray und Bernice E. Leary von Wissenschaftlern zitiert. Wir haben mal reingeguckt und unseren Spaß gehabt …

So sieht die erste Text-Seite des Buches aus, das Vorwort nämlich:

Hier wird, nach heutigen Maßstäben, ja wohl eher gezeigt, was Bücher schlecht lesbar macht:

• keine richtige Überschrift
• viel zu wenige, dafür viel zu lange Absätze
• Schriftgröße zu gering
• schlecht lesbare Schriftart
• Zeilenabstand zu klein
• und vieles mehr …

Inhaltlich ist es übrigens absolut berechtigt, dass das Buch noch heute zitiert wird, vor allem wegen seines interessanten theoretischen Ansatzes: der Kategorisierung von Verständlichkeits-Kriterien. Für Gray und Leary kristallisierten sich in der Studie vier Faktoren heraus, die für die Lesbarkeit von Büchern entscheidend sind:

Der Faktor Inhalt erklärt sich von selbst, unter Stil verstehen die beiden vor allem Wortwahl, Satzbau und dergleichen, Organisation steht für solche Dinge wie Kapiteleinteilung, Überschriften, Zwischenüberschriften etc., während Format die Größe des Buches meint, Schriftgrößen, Druckqualität oder Papierbeschaffenheit.

Diese Kategorien sind aus heutiger Sicht immer noch plausibel. Es sind nach 80 Jahren der Forschung bloß einige weitere Faktoren hinzugekommen, nämlich Zielgruppenangemessenheit, Leseanreize, Verständlichkeitshilfen und die Prägnanz der Darstellung.

Außerdem liegt zwischen dem, was Gray und Leary Organisation und Format nennen, ein damals offenbar unterschätzter Faktor: die optische Logik. Und genau auf diesem Feld sehen das Buch und vor allem dessen erste Seite wirklich aus wie Ironie!