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Fußballberichte: Wer schreibt den einfachsten Stiefel?

Mithilfe einer Software der Uni Regensburg haben wir Spielberichte des 14. Bundesliga-Spieltags ausgewertet. Dabei stand auch die Prüfung eines alten Vorurteils an: Pflegt die BILD wirklich einen einfacheren Stil als andere Zeitungen?

Ja, die Fußball-Spielberichte der BILD sind tatsächlich erheblich einfacher zu verstehen als die in FAZ, Süddeutscher Zeitung, im Kicker und auf Sportschau.de. Das hat unsere Textanalyse nach dem 14. Spieltag der laufenden Bundesliga-Saison recht eindeutig gezeigt. Während die Berichte der BILD von der Software schon für Sechstklässler als geeignet klassifiziert werden, sollte man für Berichte aus dem Sportmagazin Kicker mindestens neun Schuljahre absolviert haben. Das haben wir mit einer Spezialsoftware der Universität Regensburg herausgefunden, in die wir 45 Spielberichte von fünf Medien eingespeist haben.

Die Texte der BILD ragen dabei aus dem Feld der übrigen Berichte stark heraus. Sind zum Beispiel die Sätze der BILD-Berichte im Durchschnitt 14,2 Wörter lang, kommen die Sätze der Konkurrenz auf 16,5 bis 20 Wörter. Auch die Wörter selbst sind bei der BILD signifikant kürzer. Ein weiterer Faktor ist die Anzahl der Sätze mit Nebensatz. Bei der BILD liegt er bei 41 Prozent, im Kicker bei 62 Prozent. Auch Passiv-Konstruktionen verlangsamen das Lesen und machen Texte schwerer verständlich. Hier liegt wiederum der Kicker mit fast 10 Prozent an letzter Position, während die BILD nur auf knapp über 5 Prozent kommt.

Allerdings sind selbst die Kicker-Texte vergleichsweise leicht verständlich: Sie liegen ungefähr auf dem Niveau der letzten Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin. Ganz anders sieht es bei der Coronaschutzverordnung aus: Deren Text sprengte das Ampelsystem der Software: Verständlich wäre er allenfalls für Schüler der Jahrgangsstufe 16!

Übrigens: Die längsten Spielberichte findet man bei FAZ und Kicker. Dort sind die Texte mit etwas über 500 Wörtern am ausführlichsten. Die Lesedauer für diese Textlänge liegt für einen Neuntklässler bei rund drei Minuten. Die Spielberichte der BILD dagegen sind mit knapp über 300 Wörtern deutlich kürzer, die Lektüre ist in zwei Minuten geschafft. Dafür enthält der Text natürlich auch weniger Informationen – was die Software jedoch nicht bewertet.

Das von uns verwendete Regensburger Analysetool für Texte (kurz: RATTE) misst mehrere linguistische Faktoren der Textverständlichkeit. Die Angemessenheit des Stils oder journalistische Kriterien können mit der Software natürlich nicht beurteilt werden. Für eine solch differenziertere Analyse haben wir ein eigenes System entwickelt, das zum Beispiel auch typografische Faktoren, die Gliederung eines Textes oder seine inhaltliche und politische Korrektheit berücksichtigt.

Wissenschaft auf dem Niveau von Heftchenromanen

Wirkt es nicht inkompetent oder grenzdebil, wenn man allzu kurze Sätze und Wörter schreibt? Diesen Zweifel hören wir oft, aber er ist unberechtigt. Wir heben einmal eine mehrfach ausgezeichnete Autorin heraus, die vorbildlich verständlich schreibt – und zugleich spannend und abwechslungsreich.

„Heftchenroman“. Das ist eine Stufe in der Verständlichkeits-Prüfmaschine Textinspektor.de. Aber soll das wirklich ein erstrebenswertes Niveau sein, so zu klingen wie ein Heftchenroman?

Ja, zumindest dann, wenn es darum geht, leicht verständliche Texte zu schreiben. Gibt man etwa eine Reportage der freien Journalistin Anke Sparmann in den Textinspektor ein, dann wirft er als Bewertung meist „Roman“ oder wirklich „Heftchenroman“ aus. Die Journalistin schreibt nämlich lauter kurze Sätze mit lauter kurzen Wörtern. Zu einfach? Nö. Anke Sparmann schreibt ganz großartige Reportagen für GEO, Zeit oder PM und ist dafür schon mehrfach ausgezeichnet worden.

Aber machen Sie sich selbst ein Bild! Wir verlinken hier einmal zwei ihrer Reportagen – für alle, die sehen wollen, wie man Wissenschaftsthemen in einer völlig unwissenschaftlichen Sprache spannend aufbereiten kann:

Arche oder Freizeitpark? Ein Blick hinter die Kulissen der neuen Zoos
Viele moderne Zoos setzen auf eine Kreuzung aus Freizeitpark und Schutzstation. Besucher gehen auf Expedition in Attrappen von Dschungel oder Savanne, Wildtiere dienen als Statisten. GEO
Pestizide und das Ende unserer Insekten
In Gärten und auf Feldern vollzieht sich ein Massensterben: Die Bestäuber verenden, Bienen, Käfer und Schmetterlinge, auf die unsere Nahrungspflanzen angewiesen sind. Als Täter unter schwerem Verdacht: Pestizide namens Neonicotinoide. Warum wurden sie überhaupt zugelassen? Warum sind sie nicht längst verboten? Ein Bericht über die Mühen, Unheil zu verhindern. GEO