Schlagwort: Süddeutsche

Unverhofft kommt allzu oft!

Die Floskel „unverhofft gestorben“ war schon immer dumm: Wer hofft schon darauf, dass jemand stirbt?! Wenn ein Newsportal diese Formulierung quasi im Wochentakt und sogar in Überschriften nutzt, deutet das nicht nur auf bedenkenloses Herumtexten hin …

Von Stefan Brunn

Hermann Understöger von der Süddeutschen Zeitung hat sich im Namen des Kulturteils seiner Zeitung einmal dafür entschuldigt, den Tod eines Schauspielers als „unverhofft“ beschrieben zu haben. Richtig so! Zwar kommt diese Floskel in Todesanzeigen und Nachrufen immer mal wieder vor, das macht’s aber nicht besser.

Das Portal News.de verwendet die Formel in gefühlt jeder dritten Todesmeldung, oft sogar in der Headline. Hier nur drei Beispiele von vielen:


Irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass hier mit einem Template gearbeitet wird. Dieses „Template des Todes“ könnte und sollte News.de vielleicht einmal überarbeiten. Schon ein neutraleres „unerwartet“ würde helfen!

Fußballberichte: Wer schreibt den einfachsten Stiefel?

Mithilfe einer Software der Uni Regensburg haben wir Spielberichte des 14. Bundesliga-Spieltags ausgewertet. Dabei stand auch die Prüfung eines alten Vorurteils an: Pflegt die BILD wirklich einen einfacheren Stil als andere Zeitungen?

Ja, die Fußball-Spielberichte der BILD sind tatsächlich erheblich einfacher zu verstehen als die in FAZ, Süddeutscher Zeitung, im Kicker und auf Sportschau.de. Das hat unsere Textanalyse nach dem 14. Spieltag der laufenden Bundesliga-Saison recht eindeutig gezeigt. Während die Berichte der BILD von der Software schon für Sechstklässler als geeignet klassifiziert werden, sollte man für Berichte aus dem Sportmagazin Kicker mindestens neun Schuljahre absolviert haben. Das haben wir mit einer Spezialsoftware der Universität Regensburg herausgefunden, in die wir 45 Spielberichte von fünf Medien eingespeist haben.

Die Texte der BILD ragen dabei aus dem Feld der übrigen Berichte stark heraus. Sind zum Beispiel die Sätze der BILD-Berichte im Durchschnitt 14,2 Wörter lang, kommen die Sätze der Konkurrenz auf 16,5 bis 20 Wörter. Auch die Wörter selbst sind bei der BILD signifikant kürzer. Ein weiterer Faktor ist die Anzahl der Sätze mit Nebensatz. Bei der BILD liegt er bei 41 Prozent, im Kicker bei 62 Prozent. Auch Passiv-Konstruktionen verlangsamen das Lesen und machen Texte schwerer verständlich. Hier liegt wiederum der Kicker mit fast 10 Prozent an letzter Position, während die BILD nur auf knapp über 5 Prozent kommt.

Allerdings sind selbst die Kicker-Texte vergleichsweise leicht verständlich: Sie liegen ungefähr auf dem Niveau der letzten Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin. Ganz anders sieht es bei der Coronaschutzverordnung aus: Deren Text sprengte das Ampelsystem der Software: Verständlich wäre er allenfalls für Schüler der Jahrgangsstufe 16!

Übrigens: Die längsten Spielberichte findet man bei FAZ und Kicker. Dort sind die Texte mit etwas über 500 Wörtern am ausführlichsten. Die Lesedauer für diese Textlänge liegt für einen Neuntklässler bei rund drei Minuten. Die Spielberichte der BILD dagegen sind mit knapp über 300 Wörtern deutlich kürzer, die Lektüre ist in zwei Minuten geschafft. Dafür enthält der Text natürlich auch weniger Informationen – was die Software jedoch nicht bewertet.

Das von uns verwendete Regensburger Analysetool für Texte (kurz: RATTE) misst mehrere linguistische Faktoren der Textverständlichkeit. Die Angemessenheit des Stils oder journalistische Kriterien können mit der Software natürlich nicht beurteilt werden. Für eine solch differenziertere Analyse haben wir ein eigenes System entwickelt, das zum Beispiel auch typografische Faktoren, die Gliederung eines Textes oder seine inhaltliche und politische Korrektheit berücksichtigt.