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Wenn Worte doch mehr sagen als Bilder …

Gute Titelseiten zu machen, ist das Geschäft aller Zeitungen weltweit – von der New York Times bis zur FAZ. Aber vor einigen Wochen erregte die Titelseite einer kleinen Studentenzeitung aus North Carolina die Aufmerksamkeit aller US-Journalisten – dabei bestand sie nur aus Text. Wir zeigen die ganze Seite im Bild und erläutern die Hintergründe.

Von Stefan Brunn

Hintergrund dieser Titelseite ist eine Tragödie, die sich Ende August an einer Universität im US-Bundesstaat North Carolina ereignet hatte: Ein Amokläufer hatte das Feuer eröffnet und einen Universitäts-Mitarbeiter getötet. Daraufhin verbarrikadierten sich Studierende und Beschäftigte in Hörsälen und Büros der Universität – und verfassten Textnachrichten an ihre Angehörigen über verschiedene Social-Media-Kanäle.

Diese Textnachrichten sammelten nun die Redakteur:innen der Studentenzeitung „The Daily Tar Heel“ und kompilierten sie zu einer einzigartigen Titelseite nur aus Text. „Wir wollten etwas machen, das den Ernst der Lage wirklich kommuniziert“, erklärt Caitlyn Yaede, Chefredakteurin der Zeitung.

Nachdem die Zeitung die Titelseite auf ihren Social-Media-Kanälen gepostet hatte, wurde sie zigtausendmal geteilt und erreichte so Aufmerksamkeit in den ganzen USA – an diesem einen Tag mehr als die Titelseiten von New York Times & Co.


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Nein, kryptische Texte machen nicht neugierig!

Wenn schlechte Autoren sich für unverständliche Passagen rechtfertigen wollen, greifen sie seit Menschengedenken zu folgender Ausrede: „Aber das macht doch neugierig!“ Das war und ist aber Unsinn. Wir liefern ein eindrucksvolles Beispiel und eine geniale Studie dazu …

Von Stefan Brunn

Wir verraten nicht, wer es ist. Aber der Autor des folgenden Reportage-Beginns ist ein preisgekrönter Journalist, der regelmäßig Lesungen seiner Texte veranstaltet:

„Eine Geschichte ist kein Abstraktum. Das wäre wie ein Film ohne Darsteller. Die Gefahr: Manchmal identifiziert man den Inhalt mit den Darstellern: Eine irgendwie untrennbare Verquickung entsteht.“

Sicherheitshalber haben wir mal herumgefragt, aber niemand versteht, was das heißen soll. Man nennt so einen Stil „kryptisch“, abgeleitet vom griechischen Wort „kryptikós“, was so viel wie „verborgen“, „rätselhaft“ oder eben „unverständlich“ heißt.

Die Annahme, dass wir so etwas gerne lesen oder es uns neugierig macht oder dass wir die Verfasser:in für intelligent halten, ist aber nachweislich falsch.

Eine Forschungsarbeit des amerikanischen Psychologie-Professors Daniel M. Oppenheimer (unter anderem tätig in Princeton und Stanford) zeigt eindeutig, dass man bei gleichem Informationsgehalt einfachere Texte lieber liest und deren Verfasser:innen auch für intelligenter hält.

Um es noch einmal zu betonen: Die Hoffnung, wegen unverständlicher Äußerungen für schlau gehalten zu werden, ist wissenschaftlich widerlegt. Oppenheimer, übrigens ein wirklich genialer Forscher, hat für seine Studie immerhin den alternativen Nobelpreis erhalten.