Alle Artikel von Zeilenhacker

Alles Trauma oder was?

Psychologische Fachbegriffe finden immer häufiger Eingang in unsere Alltagssprache: Überall ist von Trauma, Triggern, Narzist:innen und Co. die Rede. Wir zeigen, warum der inflationäre Gebrauch dieser Wörter nicht nur nervig, sondern auch problematisch ist.

Von Katrin Liffers

„Ich hab’ echt ein Trauma von der Mathestunde heute!“

„Mein Ex-Freund ist ein richtiger Narzisst!“

„Das Wetter macht mich richtig depressiv!“

Sind Ihnen solche Formulierungen auch schon zu Ohren gekommen? Immer mehr Begriffe aus der Psychologie haben mittlerweile Eingang in unseren Alltag gefunden. Sei es in Gesprächen mit Freund:innen, in Talkshows oder Videos.

Auf den ersten Blick ist das natürlich ein schönes Phänomen. Es kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass wir uns immer mehr mit unserer Psyche auseinandersetzen, unsere Gefühle hinterfragen und sie nicht verdrängen. Und weil psychische Krankheiten immer weniger tabuisiert werden, trauen wir uns auch häufiger, offen über dieses Thema zu sprechen.

Schwierig ist allerdings, dass diese Begriffe in vielen Fällen gar nicht auf den medizinischen Aspekt verweisen, den sie eigentlich bezeichnen. Viel mehr stellt das Phänomen eine typische Konsequenz der Aufmerksamkeitsökonomie dar: In einer Welt, in der alles schneller, besser, lauter sein muss, reicht es nicht mehr aus, Sachverhalte realistisch darzustellen. Stattdessen braucht es starke Übertreibungen, um wirklich wahrgenommen zu werden. Und deshalb nervt einen das Verhalten der besten Freundin dann nicht mehr – es triggert einen.

Das Problematische daran: Der inflationäre Gebrauch der Fachbegriffe rückt ihre tatsächliche Bedeutung in den Hintergrund. Wer kann unterscheiden, ob jemand eine echte Panikattacke hatte oder sich einfach nur stark aufgeregt hat? Und ist die Partnerin wirklich toxisch oder hat sie vielleicht einfach nur was Blödes gemacht? Den tatsächlich Betroffenen schwindet so immer mehr die Möglichkeit, ihre Krankheit sichtbar zu machen. Und damit auch die Möglichkeit, dass sie ernst genommen werden und angemessene Hilfe erhalten. Denn wenn jeder Zweite traumatisiert ist, dann kann das ja gar nicht so schlimm sein.

Fazit: Dass Begriffe ihre ursprünglichen Anwendungsbereiche verlassen, ist kein neues Phänomen und nicht per se problematisch: In vielen Fällen gewinnt unsere Sprache dadurch. Aber immer dann, wenn Gefühle oder Probleme durch inflationären Gebrauch entwertet werden, lohnt es sich, noch mal nachzudenken. Dann war der Einkauf nach den Feiertagen vielleicht einfach nur anstrengend und nervig, aber eben nicht traumatisch.


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Vorfahrt fürs Präsens

Manchmal hat man die Wahl, ob man in der Gegenwarts- oder in der Vergangenheitsform schreibt. In den allermeisten Fällen lohnt es sich dann, aufs Präsens zu setzen. Das zeigen auch neue Studien aus der Psychologie. Wir machen es an drei Beispielen klar.

Von Katrin Liffers

Auf den ersten Blick scheint es simpel: Immer dann, wenn wir über die Gegenwart reden, verwenden wir das Präsens. Sprechen wir über Vergangenes, kommen Perfekt, Präteritum oder Plusquamperfekt in Frage. Wieso treffen wir dann aber immer wieder auf Fälle, in denen laut dieser Logik eine Vergangenheitsform stehen müsste, stattdessen aber das Präsens gewählt wird?

Die Antwort: Egal, ob bewusst oder unbewusst eingesetzt, die Wahl der Zeitform beeinflusst die Wahrnehmung des Geschriebenen oder Gesagten. Wir schauen uns das an drei unterschiedlichen Textsorten an:

1. Produktrezensionen
Eine aktuelle sozialpsychologische Untersuchung, die den Einfluss von unterschiedlichen Zeitformen in Produkt-Rezensionen analysiert, kommt zu folgendem Ergebnis: Rezensionen, die im Präsens und nicht in einer Vergangenheitsform geschrieben wurden, sind verführerischer. Der Grund: Der Leser nimmt automatisch an, dass ein Gerät, „das wirklich gut funktioniert“, noch besser ist als eins, „das wirklich gut funktioniert hat“. Das Präsens suggeriert nämlich, dass der Nutzen des Produkts immer noch besteht und nicht nur auf die Vergangenheit begrenzt war.

2. Nachrichten
Nachrichten soll dem Adressaten etwas Neues und Aktuelles berichten. Durch das Präsens wird dieser Aktualitätsbezug hervorgehoben und Interesse beim Leser erweckt. Überprüfen Sie mal selbst: Welchen ersten Satz einer Nachricht motiviert Sie eher zum Weiterlesen?

Beispiel 1: Die Oliven-Bundesvorsitzende Sibille Grothejahn hat in Berlin an einer Demonstration gegen Motorradlärm teilgenommen.

Beispiel 2: Die Oliven-Bundesvorsitzende Sibille Grothejahn will gegen den zunehmenden Lärm von Motorrädern mobil machen.

Das Präsens zeigt nach vorn, das Berichtete erscheint einfach aktueller.

3. Belletristik
Lange Zeit verschmäht war das Präsens in der Belletristik. Doch das hat sich geändert. Während früher das Präteritum als prototypische Zeitform galt, gibt es mittlerweile immer mehr Romane und Krimis, die durchgehend oder in großen Teilen im Präsens verfasst sind. Der Grund: Das Präsens soll dafür sorgen, dass die Handlung näher an den Leser heran rückt, er direkt und unmittelbar das Geschehene mitbekommt und sich so sich besser in die Geschichte hineinversetzen kann. „Eines schönen Morgens im April komme ich auf einer kleinen Seitenstraße in Harajuku an dem 100%igen Mädchen vorbei.“ Dieser erste Satz einer Erzählung von Haruki Murakami ist stark. Das liegt auch daran, weil er live ist, weil er uns direkt in die Situation beamt. Das heißt natürlich nicht, dass dieser und andere Sätze nicht auch in Vergangenheitsformen funktionieren können. Aber wenn ich als Leserin wählen darf, dann nehme ich hier gern das Präsens …

 


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Zwei von fünf Usern nutzen Dialog-KI für Texte

Ein Jahr nach der Einführung von ChatGPT haben sich Dialog-KI als Hilfsmittel beim Schreiben weit verbreitet. Der TÜV stellte heute anlässlich des Geburtstags in einer Pressekonferenz neue Umfrage-Ergebnisse vor. Wir waren dabei und haben für Sie die wichtigsten Zahlen herausgefiltert.

40 Prozent der KI-User lassen ChatGPT und vergleichbare Dialog-KI (Bard, Bing, Claude etc.) für sich Texte erstellen. Das sind weniger Leute als die, die diese Anwendungen für Unterhaltungszwecke nutzen, nämlich 52 Prozent. Es sind auch weniger als die, die damit recherchieren: 44 Prozent. Es sind zugleich aber deutlich mehr, als damit Fotos oder Videos generieren oder bearbeiten (26 Prozent). Und es sind mehr als dreimal so viele, wie damit programmieren (12 Prozent).

Insgesamt werden nach einem Jahr ChatGPT derartige Anwendungen von 37 Prozent der Befragten (ab 16 Jahre) genutzt. Im April 2023, also vor etwa einem halben Jahr, hatten dem TÜV bei der gleichen Frage nur 23 Prozent diese Nutzung bestätigt. Unter den aktiven Nutzern dominieren übrigens klar die Jüngeren.

Eine breite Mehrheit erwartet insgesamt, dass sich die Technologie positiv auf ihr Leben auswirken wird. Aus Sicht von 55 Prozent hat KI das Potenzial, die Befragten in ihrem privaten Leben zu unterstützen. Bei 58 Prozent gilt das auch für den eigenen Beruf. Fast die Hälfte der Erwerbstätigen erwartet, dass Künstliche Intelligenz in fünf Jahren eine große oder sehr große Rolle für ihre berufliche Tätigkeit spielen wird. Fast jede:r dritte Erwerbstätige befürchtet, beruflich abgehängt zu werden, wenn sie die Technologie nicht beherrschen (31 Prozent). Und fast zwei Drittel der Befragten hält eine Weiterbildung zu Künstlicher Intelligenz für ihre berufliche Tätigkeit für sinnvoll (63 Prozent).

Gut die Hälfte der Erwerbstätigen ist der Meinung, dass KI-Systeme Routineaufgaben ihrer beruflichen Tätigkeit übernehmen werden oder das jetzt schon tun. Und immerhin 29 Prozent glauben, dass KI ihre berufliche Tätigkeit ganz oder teilweise ersetzen könnte.

Über die Umfrage
Die repräsentative Umfrage wurde im Oktober 2023 von Forsa im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.008 Personen ab 16 Jahren durchgeführt, darunter 649 Erwerbstätige.


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Das Hamburger Sie und das Münchner Du

Herr Müller, kommst Du mal? Saskia, könnten Sie mal kurz? Was für Außenstehende erheiternd rüberkommt, wirkt für die Angesprochenen manchmal ziemlich herabsetzend.

Von Stefan Brunn

Die Sache hat zwei Seiten: Einerseits können diese Mischformen des Duzens/Siezens ein Kompromiss sein. Ein meist unausgesprochenes Agreement zwischen zwei Menschen, deren Beziehung eben ungeklärt zwischen Du und Sie steht. Andererseits werden diese Formen oft nicht symmetrisch zwischen Gleichberechtigten gewählt, sondern einseitig von oben nach unten – darauf deutet auch der konkurrierende Name „Kassiererinnen-Du“ hin.

Wir wollen weder das Hamburger Sie noch das Münchner Du pauschal verurteilen. Wir wollen aber, dass Sie beide Formen kennen und sensibel damit umgehen.

Das Hamburger Sie
Beim Hamburger Sie nennt man jemanden beim Vornamen, siezt ihn aber: „Werner, reichen Sie mir mal den Vertrag?“ Diese Art des Siezens ist nicht nur in Hamburg verbreitet, wie der Name nahelegen könnte. Das Hamburger Sie ist überall dort zu hören, wo nicht ganz klar ist, ob man duzen oder siezen sollte. Es kann wirklich ein für beide Seiten smarter Kompromiss ein. Bei erwachsenen Schüler*innen zum Beispiel oder überhaupt zwischen Generationen. Dass es oft bei Schüler*innen verwendet wird, deutet aber auch darauf hin, dass es herabsetzend wirken kann. Ein Indiz ist, dass man sich nicht vorstellen kann, dass die angesprochene Person auf gleiche Weise antwortet. Das gilt übrigens nicht nur bezüglich des Alters, sondern mehr noch, wenn es um Hierarchien geht oder um das Verhältnis von Auftraggebern zu Auftragnehmern, von Kunden zu Dienstleistern etc.

Das Münchner Du
Beim Münchner Du nennt man umgekehrt jemanden beim Nachnamen, duzt ihn aber: „Frau Mustermann, kannst Du mal den Kuchen holen?“ Diese Form wird auch als „Kassiererinnen-Du“ bezeichnet. Das deutet schon an, dass das Münchner Du durchaus als herabwürdigend empfunden werden kann. Anders als beim Hamburger Sie duzt man hier ja tatsächlich jemanden. Dafür aber ist im Deutschen eigentlich immer eine vorherige Zustimmung des anderen erforderlich – wenn man nicht ohnehin sehr vertraut ist oder sogar sicher weiß, dass der oder die Angesprochene diese Anrede als charmant oder ironisch auffasst.

Warum die beiden Formen nach Hamburg und München benannt wurden, haben wir bis jetzt nicht herausfinden können. Sehr geehrte Leserschaft, wenn Du das weißt, hilf uns bitte! 😉


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Wenn der Browser Dir den Text erklärt …

Mit dem Microsoft-Browser Edge und der Suchmaschine Bing kann man sich jetzt jede beliebige PDF zusammenfassen lassen oder dazu Fragen stellen – dazu lädt man einfach die PDF hoch. Wir haben es ausprobiert: Das Ergebnis war inhaltlich ziemlich gut.

Von Stefan Brunn

Für eines unserer Experimente haben wir eine Studie (PDF) zweier US-amerikanischer Psychologen in Form einer PDF mit dem Browser Edge geöffnet. Die Forschungsfrage der Studie war recht simpel: Wer macht die besseren Notizen bei Bildungsveranstaltungen: Leute mit einem Stift oder Leute mit einem Tablet? Wechselt man im Browser auf den Bing-Chat-Modus, kann man der Software einfach Aufgaben oder Fragen dazu stellen. Wir haben nach den wichtigsten Ergebnissen der Studie gefragt und darum gebeten, diese in 5 Bulletpoints darzustellen:

In Bing ist Chat-GPT4 integriert, daher wird die PDF mit Künstlicher Intelligenz interpretiert. Man kann das mit Websites machen, aber eben auch mit PDF, wenn man sie hochlädt – oder natürlich auch mit Word-Dateien, die man zur PDF exportiert hat. Wie sah nun das Ergebnis aus?

Bing liefert in Sekundenschnelle eine ganz passable Zusammenfassung! Allerdings macht die KI einen Fehler, den manche Probanden bei ähnlichen Aufgaben in unseren Seminaren auch machen: Rahmen, Quelle, Kontext und Status werden überhaupt nicht thematisiert. Aber cool ist diese Funktion natürlich schon! Sie zeigt, welche Möglichkeiten auch Office-Programme wie Word bald ermöglichen werden.

Hier finden Sie übrigens eine recht einfache Anleitung in einzelnen Schritten, wie man bei Bing eine PDF hochlädt und dem Browser dazu eine Aufgabe stellt.


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Wenn Worte doch mehr sagen als Bilder …

Gute Titelseiten zu machen, ist das Geschäft aller Zeitungen weltweit – von der New York Times bis zur FAZ. Aber vor einigen Wochen erregte die Titelseite einer kleinen Studentenzeitung aus North Carolina die Aufmerksamkeit aller US-Journalisten – dabei bestand sie nur aus Text. Wir zeigen die ganze Seite im Bild und erläutern die Hintergründe.

Von Stefan Brunn

Hintergrund dieser Titelseite ist eine Tragödie, die sich Ende August an einer Universität im US-Bundesstaat North Carolina ereignet hatte: Ein Amokläufer hatte das Feuer eröffnet und einen Universitäts-Mitarbeiter getötet. Daraufhin verbarrikadierten sich Studierende und Beschäftigte in Hörsälen und Büros der Universität – und verfassten Textnachrichten an ihre Angehörigen über verschiedene Social-Media-Kanäle.

Diese Textnachrichten sammelten nun die Redakteur:innen der Studentenzeitung „The Daily Tar Heel“ und kompilierten sie zu einer einzigartigen Titelseite nur aus Text. „Wir wollten etwas machen, das den Ernst der Lage wirklich kommuniziert“, erklärt Caitlyn Yaede, Chefredakteurin der Zeitung.

Nachdem die Zeitung die Titelseite auf ihren Social-Media-Kanälen gepostet hatte, wurde sie zigtausendmal geteilt und erreichte so Aufmerksamkeit in den ganzen USA – an diesem einen Tag mehr als die Titelseiten von New York Times & Co.


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Was bitteschön ist eine Pfauenehe?

Auch Sprachen vergessen. Zum Beispiel gehen über die Jahrhunderte Ausdrücke verloren, weil sie zu selten benutzt werden, die Pfauenehe etwa. Einige davon können Sie mit unserem kleinen Quiz wiederentdecken. Ausgedacht haben sich die Fragen die Basler Germanisten Suzanne de Roche und Heinrich Löffler.

Vor 250 Jahren, lange vor den Grimms, sammelte ein gewisser Johann Jakob Spreng mit viel Fleiß deutsche Wörter und begann ein „Allgemeines Deutsches Glossarium“. Fertiggestellt wurde es allerdings erst vor wenigen Jahren durch die Basler Germanisten Suzanne de Roche und Heinrich Löffler. Die beiden haben für unseren Zeilenhacker ein tierisch gutes Quiz untergegangener Wörter erstellt. Prüfen Sie doch mal, wie gut Sie vor einem Vierteljahrtausend im Zoo zurechtgekommen wären …

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Schreiben mit dem Weichspüler

Unsere Sprache enthält viele Mittel, um Informationen unterschiedlich darzustellen. Unter diesen Mitteln sind auch Weichspüler: Man nimmt sie, um etwas vage zu halten und sich nicht allzu deutlich auszudrücken. Wir gruppieren diese Weichspüler mal nach ihrer Energieeffizienzklasse.

Von Katrin Liffers

A: Konjunktiv
Der Klassiker unter den Weichspülern. Der Konjunktiv wird auch als Möglichkeitsform bezeichnet und steht damit in direkter Konkurrenz zum Indikativ, der Wirklichkeitsform. In vielen Fällen ist er absolut berechtigt – beispielsweise dann, wenn wir etwas höflich formulieren wollen: „Ich hätte gerne drei Brötchen.“ Oder wenn man sich einer Sache nicht sicher ist: „Es könnte sein, dass sie schon weg ist.“ Schwierig wird die Verwendung des Konjunktivs dann, wenn seine Funktionen missbräuchlich eingesetzt werden. Das passiert oft, um unerfreuliche Fakten als Eventualitäten darzustellen: „Das könnte ein Problem sein.“ Oder um unangenehme Handlungen zu verschleiern: „Ich würde gerne vorschlagen, den Plan zu ändern.“ Das Problem dabei: Man weiß als Gesprächspartner nie genau, wie sicher die getroffene Aussage tatsächlich ist.

B: Kommentaradverbien
Kommentaradverbien, auch „Modalwörter“ genannt, schleichen sich oft ganz unbemerkt in unsere Aussagen ein. Zu Ihnen gehören Wörter wie „sicher“ und „zweifellos“, aber auch „vielleicht“, „eventuell“, „möglicherweise“ und „vermutlich“. Sie zeigen an, für wie wahrscheinlich man das hält, worüber man gerade spricht. So drückt die Aussage „Das wird sicher funktionieren“ Zuversicht und (Selbst-)Sicherheit aus. „Möglicherweise wird es da vielleicht ein Problem geben“ deutet hingegen an, dass man sich nicht eindeutig zur Wahrscheinlichkeit positionieren möchte – oder kann. In großer Menge verwendet signalisieren letztere Unsicherheit, Unwissenheit und fehlendes Selbstvertrauen.

C: Vor- oder nachgeschobene Weichspüler
Manchmal reicht uns ein einzelnes Wort nicht aus, um Vagheit auszudrücken. In diesen Fällen kommen häufig zwei Weichspüler-Arten in Gebrauch, die die Form von Nebensätzen oder sogar ganzen Sätzen einnehmen können: die vor- und nachgeschobenen Weichspüler. Zu den vorgeschobenen Weichspülern zählen Formulierungen wie „Ich bin zwar kein Experte, aber …“ oder „Wenn es in Ordnung ist, würde ich dazu auch gerne noch was sagen.“ Zu den nachgeschobenen Formen zählen Nachfragen, die um Bestätigung bitten („oder nicht?“) und Sätze wie „Vielleicht vertue ich mich da aber auch.“ Diese (Neben-)Sätze wiegen den Sprecher in der vermeintlichen Sicherheit, keine Falschaussagen zu treffen – zu dem Preis, vom Zuhörer als unsicher und unwissend wahrgenommen zu werden. Noch dazu nehmen diese Formulieren meist mehr Raum ein als die eigentliche Aussage. Einfach anstrengend.

D: Euphemismen
Kommen wir nun zu der Art von Weichspülern, die wir am kritischsten sehen: Euphemismen. Sie bezeichnen Wörter, die einen unangenehmen, negativen oder anstößigen Inhalt beschönigen und verschleiern. Und hier liegt auch direkt das Problem. Natürlich ist es angenehmer, von „Kollateralschäden“ zu sprechen anstatt von „Zivilisten, deren Tod bei einem Militärangriff in Kauf genommen wurde“. Und jemandem mitzuteilen, dass nun aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen werden, klingt deutlich besser als die Auskunft, dass die Person abgeschoben wird. Diese Worte verschleiern zwar die Realität, verändern sie jedoch nicht. Damit fällt es leicht, vor unangenehmen Dingen die Augen zu verschließen und Probleme wegzureden, anstatt sie offen anzusprechen und zu ändern. Gerade in politischen Kontexten erzeugen diese Verschleierungen deshalb einen Eindruck von Unehrlichkeit und Unaufrichtigkeit.


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Wie eindeutig sind 🚍, 🤗 und 🐣?

Emojis können uns Hinweise geben, wie wir Textnachrichten interpretieren müssen. Manchmal ist aber genau das Gegenteil der Fall. Grund dafür: Die Bedeutung von Emojis ist oft gar nicht so eindeutig, wie wir annehmen.

Von Katrin Liffers

Was meinen Sie: Was ist der Person wohl passiert? Etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Das hängt wahrscheinlich ganz davon ab, wie Sie 😬 interpretieren: Zeigt es ein großes Grinsen, das sich über das ganze Gesicht erstreckt, oder stellt es das Gesicht einer verlegenen Person dar, die etwas Peinliches erlebt hat?

Gar nicht so einfach! Das liegt daran, dass Emojis nicht immer eindeutig sind, sondern „ambig“, wie es die Forschung nennt. In den meisten Fällen können wir diese Mehrdeutigkeit durch den Rest der Nachricht oder den Gesprächsverlauf auflösen. Umso schwieriger wird es aber dementsprechend, wenn Emojis nicht ergänzend zu einem schriftlichen Inhalt genutzt werden, sondern als Ersatz für Wörter oder ganze Sätze. Selbst wenn sich die schreibenden Personen gut kennen, gelingt es ihnen dann nicht immer, die Bedeutung zu entschlüsseln:

Noch schwieriger wird es in der Kommunikationen mit Personen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben. Hier gilt es, besonders vorsichtig zu sein! So wird die winkende Hand bei uns als Zeichen der Begrüßung und Verabschiedung gesehen. Auch in China steht es für eine Verabschiedung – aber für eine dauerhafte. Es bedeutet, dass man die Freundschaft zum Gesprächspartner beenden möchte.

In diesem Sinne: 👋 – aber nur bis zur nächsten Ausgabe!


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Am fehlerlosen Korrektorat scheitert die KI noch

Textverarbeitungsprogramme schaffen es bis heute nicht einwandfrei, alle Rechtschreib-Fehler zu eliminieren. Funktioniert das mithilfe Künstlicher Intelligenz? Wir haben fünf Maschinen getestet. Die Ergebnisse waren teils gut, teils schlecht. Kein Korrektorat war fehlerfrei.

Von Stefan Brunn

Kann KI schaffen, was keinem Redaktions- oder Textverarbeitungssystem in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, nämlich Texte auf Knopfdruck fehlerfrei zu machen? Wir haben das an einem kurzen Text mit vielen Fehlern verschiedener Art getestet:

Die von einem Hersteller von Navigationssystemen beauftragte, Befragung stellt z.B. auch fest, welche Emotionen am häufigsten auf treten , wenn sich jemand verfährt: das nahe liegende Gefühl der Frustation stand dabei erwartungsgemäss mit 75Prozent vorn, gefolgt von Ärger (36 Prozent) und Angst (19 Prozent).

In diesen wenigen Zeilen steckt ja einiges an Fehlern: Groß- und Kleinschreibung, Flüchtigkeitsfehler, Interpunktion, alte und neue Rechtschreibung … Wie kriegt das die KI in den Griff? Den Text gaben wir mit dem immer gleichen Befehl (Prompt) an fünf große Sprachmodelle: Bard, Bing, ChatGPT, Llama und You.com.

Ergebnis: Keine Maschine beseitigt wirklich alle Fehler. Allerdings schaffen es ChatGPT (3.5) und Bing, nur einen einzigen minimalen Fehler übrig zu lassen: das fehlende Leerzeichen bei z. B. Die anderen sind teils recht übergriffig, fassen etwa „von einem“ einfach zu „vom“ zusammen, machen aus dem Wort „Prozent“ das %-Zeichen oder lassen den Satzbeginn nach dem Doppelpunkt mit einem kleinen „d“ stehen, wo es groß sein muss.

Es kann aber nun nicht mehr lange dauern, bis sich eine App darauf spezialisiert, auch kleinste Fehler noch auszumerzen. Dann wird ein Versprechen wahr, dass Verlage ihrer Belegschaft schon vor 30 Jahren gegeben haben, als sie die Korrektor:innen entließen: Das Korrektorat macht jetzt die EDV.

Und falls für jemanden unser Prompt fürs Korrektorat interessant sein sollte, hier ist er (und er lässt sich bestimmt noch verbessern/spezifizieren):
Bitte erledige eine Aufgabe für mich: Korrektorat eines journalistischen Textes. Berücksichtige dabei folgende Punkte:

• Inhalt und Satzbau sollen nicht verändert werden, also bitte KEINE Redigatur, sondern nur Korrektur, also das Ausmerzen von Fehlern.
• Zu den Fehlern gehören auch Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Kommasetzung, Kleinigkeiten wie doppelt gesetzte Leerzeichen, falsche Leerzeichen und ähnliches.
• Grundlage Deiner Korrekturen sollen die Rechtschreibregeln in Deutschland sein. Im Zweifel die Rechtschreibung, die der DUDEN empfiehlt. Bitte die neuen Regeln (nach der Rechtschreibreform verwenden). Nicht die Schweizer Regeln verwenden.
• Bitte achte auch auf Einheitlichkeit bei den Schreibweisen. Wenn Du zum Beispiel eine Maßeinheit einmal ausschreibst, dann immer.
• Bitte setze ggf. bei Abkürzungen und zwischen Ziffern und Maß- und Mengeneinheiten ein geschütztes Leerzeichen.


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