Schlagwort: Duzen

Angeduzt und angekumpelt

Warum duzen immer mehr Medien ihr Publikum? Offenbar sprechen die Klickzahlen dafür. Wir haben mit einem Redakteur gesprochen, den das massiv stört – der aber unerkannt bleiben möchte.

Von Stefan Brunn

Zeilenhacker-Redakteur Stefan Brunn im Gespräch mit dem Redakteur, dem das Duzen in journalistischen Artikeln ein Graus ist.

Darf ich Dich für das Gespräch überhaupt duzen?
Ja, selbstverständlich. Ich bin beim Duzen wie jeder andere.

Gegen das Duzen hast Du also nicht allgemein was, sondern nur in Veröffentlichungen?
Ich habe da keine besonderen Vorlieben und muss auch nicht immer gesiezt werden. Aber was mir auf die Nerven geht, ist in Texten ständig angeduzt und angekumpelt zu werden …

Was stört Dich denn am Duzen? Damit kommt man den Leuten doch näher?
Ein Kollege von mir, im selben Alter wie ich übrigens, hat gesagt, wenn er gesiezt wird, ist er sofort raus, weil er sich nicht angesprochen fühlt. Bei mir ist es genau umgekehrt. Wenn ich geduzt werde, bin ich sofort raus, weil ich mir denke: Ja, waren wir denn zusammen Schweine hüten, warum duzt ihr mich hier?!

Und das heißt, Du liest dann einfach nicht weiter.
Ja, doch, wenn der Text mich interessiert, lese ich schon weiter. Man gewöhnt sich halt auch dran. Aber ich frage mich, warum man überhaupt ständig die Leute ansprechen muss? „Hier erfahrt ihr mehr“ oder „Hier erfahrt ihr, was das für euch bedeutet“ – warum behandelt man mich nicht wie einen erwachsenen Menschen? „Hier erfährst du mehr“ ist doch blöd – natürlich erfahre ich mehr, wenn ich so einen Text anklicke, dafür ist er ja da. Ich muss nicht ständig mit der Nase drauf gestoßen werden. Und mich stört generell dieses Angekumpeltwerden.

Das hat sich aber auch im wirklichen Leben verbreitet. Bei Starbucks wirst Du auch ungefragt geduzt.
Ja, aber das macht’s ja nicht besser!

Du hättest gerne, dass man erstmal prüft oder erspürt, ob das Gegenüber geduzt werden will.
Ich oute mich damit vielleicht als alter Sack, aber dann ist das halt so. Meine Vorlieben werden ziemlich gründlich ignoriert, gerade von so einer woken Community, die sonst auf jede Empfindlichkeit Rücksicht nimmt. Das ist ja auch der Hintergrund des Genderns. Warum gendert man? Weil Frauen es leid sind, sich mit einem generischen Maskulinum mitgemeint zu fühlen, vollkommen zurecht. Man nimmt also darauf Rücksicht. Aber darauf, dass ich nicht dauernd angeduzt und angekumpelt werden möchte – auf die Idee, dass das überhaupt ein Problem sein könnte, kommt keiner.

Du siehst also einen Widerspruch darin, dass man zwar gendert, aber einfach alle Leute uneingeladen duzt?
Genau! Ich nehme zur Kenntnis, dass das offenbar funktioniert, dass die Klickzahlen damit stimmen, offenbar will die Mehrheit das gerade so. Mir geht das aber auf die Nerven!

Vielleicht wird das in Zukunft alles gar nicht mehr so wichtig sein, weil Texte sich per Künstlicher Intelligenz automatisch umstellen lassen vom Duzen aufs Siezen oder von weiblicher zu männlicher Ansprache?
Du meinst, dass ich im Browser einstellen kann, ob ich geduzt oder gesiezt werde? Das halte ich erst mal für eine recht ferne Vision. Bis dahin ist für mich eher die Lösung, gar nicht erst ständig angesprochen zu werden.

Okay, vielen Dank für das Gespräch – und versprochen: Im Teaser zu diesem Text werden wir die Leser weder duzen noch direkt ansprechen!

Das Hamburger Sie und das Münchner Du

Herr Müller, kommst Du mal? Saskia, könnten Sie mal kurz? Was für Außenstehende erheiternd rüberkommt, wirkt für die Angesprochenen manchmal ziemlich herabsetzend.

Von Stefan Brunn

Die Sache hat zwei Seiten: Einerseits können diese Mischformen des Duzens/Siezens ein Kompromiss sein. Ein meist unausgesprochenes Agreement zwischen zwei Menschen, deren Beziehung eben ungeklärt zwischen Du und Sie steht. Andererseits werden diese Formen oft nicht symmetrisch zwischen Gleichberechtigten gewählt, sondern einseitig von oben nach unten – darauf deutet auch der konkurrierende Name „Kassiererinnen-Du“ hin.

Wir wollen weder das Hamburger Sie noch das Münchner Du pauschal verurteilen. Wir wollen aber, dass Sie beide Formen kennen und sensibel damit umgehen.

Das Hamburger Sie
Beim Hamburger Sie nennt man jemanden beim Vornamen, siezt ihn aber: „Werner, reichen Sie mir mal den Vertrag?“ Diese Art des Siezens ist nicht nur in Hamburg verbreitet, wie der Name nahelegen könnte. Das Hamburger Sie ist überall dort zu hören, wo nicht ganz klar ist, ob man duzen oder siezen sollte. Es kann wirklich ein für beide Seiten smarter Kompromiss ein. Bei erwachsenen Schüler*innen zum Beispiel oder überhaupt zwischen Generationen. Dass es oft bei Schüler*innen verwendet wird, deutet aber auch darauf hin, dass es herabsetzend wirken kann. Ein Indiz ist, dass man sich nicht vorstellen kann, dass die angesprochene Person auf gleiche Weise antwortet. Das gilt übrigens nicht nur bezüglich des Alters, sondern mehr noch, wenn es um Hierarchien geht oder um das Verhältnis von Auftraggebern zu Auftragnehmern, von Kunden zu Dienstleistern etc.

Das Münchner Du
Beim Münchner Du nennt man umgekehrt jemanden beim Nachnamen, duzt ihn aber: „Frau Mustermann, kannst Du mal den Kuchen holen?“ Diese Form wird auch als „Kassiererinnen-Du“ bezeichnet. Das deutet schon an, dass das Münchner Du durchaus als herabwürdigend empfunden werden kann. Anders als beim Hamburger Sie duzt man hier ja tatsächlich jemanden. Dafür aber ist im Deutschen eigentlich immer eine vorherige Zustimmung des anderen erforderlich – wenn man nicht ohnehin sehr vertraut ist oder sogar sicher weiß, dass der oder die Angesprochene diese Anrede als charmant oder ironisch auffasst.

Warum die beiden Formen nach Hamburg und München benannt wurden, haben wir bis jetzt nicht herausfinden können. Sehr geehrte Leserschaft, wenn Du das weißt, hilf uns bitte! 😉

Wann schreibt man „Dich“ groß?

Im Grunde gibt’s hier drei Fälle, die Sie unterscheiden müssen. Wir schildern diese Fälle extrem kurz und aufgeräumt, so dass Sie sie sich leicht merken können. Beziehungsweise du dir! 😉

Von Stefan Brunn

Vorab nur ganz kurz: Natürlich muss bei der siezenden Anrede IMMER großgeschrieben werden: Sie, Ihr, Ihresgleichen. Und natürlich: Wenn es gar nicht um eine Anrede geht, sondern um die Pronomen der 3. Person Plural, muss IMMER klein geschrieben werden: „Wir bitten alle Fluggäste, ihre Wärmedecken an Bord zu lassen.“ Aber wie sieht’s nun beim Duzen aus?

Fall A: echte persönliche Anrede
Schreibt man jemanden persönlich an, kann man es sich aussuchen: groß oder klein, du oder Du. Dieser Fall kommt vor allem in Chats, Foren, SMS, Briefen und E-Mails vor. Der Duden empfiehlt die Großschreibung. Hat man sich innerhalb eines Textes einmal festgelegt, sollte man alle verwandten Formen konsequent gleichbehandeln. Also nicht: „Wir laden Dich gerne ein, aber deine Schwiegereltern nicht.“ Auch „Euch“ und „Eure“ müssen entweder einheitlich groß oder einheitlich klein geschrieben werden.

Fall B: unechte persönliche Anrede
In der Werbung, im Marketing, bei Newslettern, Editorials oder in Formularen, Fragebögen und dergleichen werden wir ja auch oft adressiert: „Lass dich verwöhnen bei Snuzzel-Tours!“ Hier handelt es sich nicht um eine echte persönliche Anrede (nicht ich bin gemeint, sondern eine Zielgruppe), daher darf hier nur klein geschrieben werden.

Fall C: Anrede in wörtlicher Rede
Natürlich wird auch in der Literatur dauernd jemand angesprochen – in Dialogen. Auch hier handelt es sich aber nicht um eine echte persönliche Anrede, weshalb auch in Anführungszeichen immer klein geschrieben werden muss.

Orthografisch ist man also auf der sicheren Seite, wenn man
a) bei allen Siez-Formen groß und
b) bei allen Duz-Formen klein schreibt.
Höflicher ist es allerdings, wenn man diejenigen, die man besser kennt (Duz-Freunde) genauso respektvoll behandelt wie diejenigen, die man siezt. Sonst ergibt sich die dumme Situation, dass man ganz unsympathische Leute groß anschreibt und liebvertraute Leute klein.