Kategorie: Allgemein

Kryptische Werbe-Claims: So geht‘s in die Hose!

„Damit es zumindest zu Hause läuft.“ Diesen Werbe-Claim lasen wir kürzlich in riesigen Lettern auf einem LKW. Und jetzt raten Sie mal, wofür er wirbt?

Von Stefan Brunn

Einen guten Claim zu schreiben ist anspruchsvoll: Der Claim muss alles zusammenfassen, sexy rüberkommen, das eigene Image stärken und doch auch richtig und repräsentativ bleiben – und das alles in ganz wenigen Worten. Das ist auch für Profis keine leichte Aufgabe, wie man immer wieder an misslungenen Beispielen auch von großen Firmen sieht.

Ein häufiges Problem ist, dass Claims kryptisch bleiben, sich einfach nicht erklären lassen, jedenfalls nicht auf Anhieb. Bei diesem Beispiel hier aus der Blumenbranche blieben wir jedoch bis heute völlig ratlos zurück: „Damit es zumindest zu Hause läuft.“ Was will uns der Absender damit wohl sagen? Einige mögliche Interpretationen haben wir herausgearbeitet:

A: Im Beruf hast Du viel Stress und Zoff und wenig Erfolg. Bring Deinem Partner Blumen mit, dann kriegst Du wenigstens daheim keinen Ärger!

B: Du stehst schon wieder im Stau? Es geht nicht voran auf der Autobahn? Dann kauf Dir doch mal ein paar Blumen, dann läuft’s wenigstens daheim beim Gießen flüssig!

C: Anmacher dieser Welt, macht Euch nichts draus, wenn es draußen bei den Flirts nicht läuft – kauft Euren Frauen daheim ein paar Blumen, dann kommt ihr wenigstens da mal wieder zum Zuge!

Leider verrät auch die Website 1000gutegruende.de nicht, was wirklich gemeint ist. Wir tippen mal auf eine Mischung zwischen A und C. ☺

Schriftenklau – viele begehen Diebstahl und wissen es gar nicht!

Was, jetzt soll ich auch noch für Schriften zahlen?! Diesen naiven Ausruf hört man oft. Wir räumen in aller Kürze mit fünf weitverbreiteten Unwahrheiten auf! *

Von Stefan Brunn

Unwahrheit Nummer 1: Schriften sind frei, daran gibt’s keine Rechte!
Oh doch, auch für Schriften muss man Nutzungsrechte erwerben. Ausnahmen gelten zum Beispiel für Systemschriften (die man zugleich mit einem Rechner erworben hat) oder für explizit frei verfügbare Schriften. Aber im Grundsatz gilt: Man kann nicht irgendwo eine Schrift herunterladen und glauben, Urheberrechte würden für Schriften nicht gelten.

Unwahrheit Nummer 2: Man kauft sich die Schrift.
Auch diese Aussage ist falsch: Wenn man in einem Fontshop für eine Schrift etwas bezahlt, dann handelt es sich nur um Nutzungsrechte. Es ist hier nicht wie beim Kofferkauf! Der Koffer gehört einem, die Schrift eben nicht, man darf sie nur benutzen …

Unwahrheit Nummer 3: Eine Agentur darf eine Schrift nur für einen einzigen Kunden nutzen.
Falsch. Wenn eine Agentur für einen Kunden eine Schrift kauft, dann erwirbt sie die Nutzungsrechte. Diese Nutzungsrechte hat sie dann für all ihre Kunden. Was die Agentur hingegen nicht tun kann: die Schrift(en) weitergeben an die Kunden. Nur die damit erstellten Produkte (meist ja PDF) darf sie weitergeben an Kunden, Druckereien etc.

Unwahrheit Nummer 4: Die Schrift darf nur auf einem einzigen Rechner installiert werden.
Hier kommt es natürlich auf den Vertrag mit dem Fontshop an. In aller Regel jedoch dürfen Agenturen die Schrift auf mehreren Rechnern installieren und benutzen. Eine Lizenz gilt oft für bis zu 5 Arbeitsplätze. Wer die Schrift(en) dann auf mehr als 5 Rechnern benutzen will, muss eine andere (Volumen-)Lizenz erwerben.

Unwahrheit Nummer 5: Auf der Rechnung an den Fontshop muss der Kunde der Agentur vermerkt sein.
Wieder falsch! Es kommt nicht auf den Endkunden an, sondern allein auf den Lizenznehmer. Wie er die Kosten mit dem Kunden abrechnet, ist dabei egal: Er kann sie in der Rechnung gegenüber dem Kunden explizit ausweisen oder die Summe mit anderen Dienstleistungen verrechnen. Der Endkunde hat in beiden Fällen nicht das Recht, die Schrift(en) auf seinen Rechnern zu installieren. Er muss also, wenn er die Schrift(en) später selbst auch noch nutzen will, eine weitere Lizenz erwerben. Das ist insofern problematisch, als er sie dann letztlich zweimal bezahlt: einmal für die Nutzung durch die Agentur und einmal für die eigene Nutzung. Bei kleineren Projekten kann es bisweilen möglich sein, dass die Agentur sich für die Entwürfe im Fontshop kostenlose Testschnitte besorgt (zeitlich begrenzter Einsatz) oder entsprechende Plug-ins von Fontshops nutzt.

* Dieser Artikel ist keine Rechtsauskunft oder -beratung! Weder ist der Autor Rechtsanwalt noch besitzt er fundierte juristische Kenntnisse. Die Informationen in diesem Text beruhen auf eigenen Erfahrungen und Recherchen des Autors. Für tiefergehende Informationen empfehlen wir drei weitere Quellen:

• eine von dem Schriftgestalter Ralf Herrmann,
• eine von der Deutschen Anwaltshotline,
• eine von der Informationsplattform iRights.info

Was ist eigentlich eine Normseite und was kostet sie?

Die „Normseite“ ist die Maßeinheit schlechthin fürs Korrektorat. Wie man sie ermittelt und was sie ungefähr kostet, lesen Sie bei uns auf weniger als anderthalb Normseiten …

Von Stefan Brunn

Was ist eine Normseite?
Mit „Normseiten“ ermitteln Autoren, Übersetzer, Korrektorate und andere den Umfang von Texten. Eine Normseite enthält 30 Zeilen je maximal 60 Anschläge. Leider kann man aber nicht die Gesamtzeichenzahl eines Manuskripts einfach durch 1.800 teilen. Stattdessen wird der Text in eine tatsächliche Normseite eingefügt, dann werden die Seiten gezählt. Und so kommen tatsächlich deutlich mehr Seiten zustande. Wer mit zwischen 1.500 und 1.700 Zeichen je Seite rechnet, kommt der Sache schon näher …

Wenn Sie es mal ausprobieren wollen: Wir stellen hier eine Normseite-zum-Download zum Download zur Verfügung.

Was kostet eine Normseite Korrektorat?
Tja, günstige Anbieter fangen bei 1,50 Euro oder 2 Euro je Normseite an, gemeint ist hier aber wirklich das reine Ausmerzen von Rechtschreibfehlern, Grammatikfehlern und Zeichensetzungsfehlern. Stilistische Überarbeitungen sind mindestens doppelt so teuer, von Lektoraten ganz zu schweigen. Außerdem spielt natürlich eine Rolle, wie gut oder schlecht der Ausgangstext ist: 30 Fehler pro Seite machen natürlich mehr Aufwand als 3. Für eine 300-normseitige Doktorarbeit sollte man jedenfalls nicht mehr bezahlen als 500 Euro.

Was ist der Unterscheid zwischen Lektorat, Redigat und Korrektorat?
Ganz vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich um Überarbeitungsstufen.

Beim Korrektorat werden nur Fehler ausgemerzt, stilistisch werden überhaupt keine Änderungen vorgenommen.

Beim Redigat achtet man bereits auf Probleme des Ausdrucks, auf stilistische Dinge – und man weist sogar auf inhaltliche Schwächen hin oder beseitigt sie sogar. Wenn der Redakteurin oder dem Redakteur zum Beispiel auffällt, dass eine erwähnte Person gar nicht eingeführt worden ist, dann werden die Verfasser sicher darauf hingewiesen – beim Korrektorat gehört das nicht zum Aufgabenfeld.

Das Lektorat geht sogar noch weiter und betreut Autorin oder Autor von Anfang an, mischt sich also auch ins Konzept ein.

Aber Achtung: Die hier unterschiedenen Begriffe sind keineswegs trennscharf. Sie werden von den Anbietern auch durchaus unterschiedlich definiert oder munter durcheinandergeworfen …

10 Zutaten, die politische Texte erfolgreich machen

Manchmal geht es bei einem Text wirklich um die Wurst. Ein Beispiel war zuletzt die Rede Ursula von der Leyens im Europäischen Parlament – ihre ganze Zukunft hing daran. Für solche Fälle haben wir einmal ein Listicle-to-go vorbereitet.

Von Stefan Brunn

1. Versprechen Sie was!
Ihr Erfolg hängt vor allem davon ab, ob Sie viel versprechen. Außerdem davon, ob man Ihnen das glaubt/zutraut. Und schließlich davon, ob dem Publikum selbst etwas an Arbeit aufgebürdet wird. Halten Sie dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis immer im grünen Bereich.

2. Sie müssen selbst sympathisch sein.
Egal, wie gut Ihr Text ist: Als Kotzbrocken werden Sie niemals politischen Erfolg haben! Bloß: Wie wird man den Leuten sympathisch? Dazu gehört zum Beispiel, nicht offensichtlich anzugeben – daran scheitern schon viele. Stattdessen sind Bescheidenheit und Originalität gefragt, vielleicht sogar gepaart mit einer ganz kleinen Prise Tollpatschigkeit bei gleichzeitiger zarter Selbstironie. Ach, wenn wir das so genau wüssten …

3. Liefern Sie neue Informationen, überraschende Perspektiven, irgendwas Interessantes!
Wenn Sie alte Hüte verkaufen, ist Ihnen der Misserfolg sicher! Recherchieren Sie deshalb so lang, bis Sie viel Interessantes haben. Ganz sicher gibt’s da was, aber es erfordert eben Fleiß und Einfallsreichtum, es auszubuddeln.

4. Vergessen Sie die Viral-Bonbons nicht!
Von 500 Zuhörern sind oft nur 5 für den Erfolg entscheidend: die Leute von der Presse oder sonst jemand, der den Kreis vertausendfacht. Für diese Gruppe bereiten Sie zum Beispiel eine mitreißende Metapher vor, die zwar nur einen Bruchteil Ihrer Rede ausmacht, aber wegen ihrer Originalität weitergepostet wird ohne Ende. In die Rede selbst stecken Sie nur zwei Stunden Arbeit, in das Suchen nach der tollen Metapher (es können auch coole Sprüche sein oder schockierende Zahlenspielereien o. ä.) stecken Sie dagegen zwei Leute für zwei Arbeitstage.

5. Vergessen Sie trotzdem das Handwerk nicht!
Was hilft das schönste Mosaik, wenn die Fliesen am Boden krumm liegen?! Jeder erfolgreiche politische Text sollte den gängigen handwerklichen Regeln professionellen Schreibens genügen. Also solch profanen Dingen wie Satzbau, Wortwahl, Gliederung, Ton, Rhythmus und so weiter. Wenn Sie sich dann noch kurz fassen und die Leute nicht langweilen, dann ist schon vieles gewonnen. Die wenigsten halten sich dran.

6. Überschätzen Sie nicht die Aufmerksamkeit Ihres Publikums!
Die meisten politischen Texte werden in der völlig irrigen Annahme geschrieben, dass jeder sie zu 100 Prozent konzentriert aufnimmt. Als wenn jeder jeden Text gedanklich mitschneiden und nebenbei noch auslegen würde wie der Pfarrer die Bibelstellen. Von wegen! Ein erfolgreicher Text geht vom Gegenteil aus: dass nämlich immer nur ein Ohr hinhört. Und deshalb braucht Ihr Text eine glasklare Gliederung, die Sie elegant immer wieder aufnehmen. Geschickt bauen Sie außerdem gewisse Redundanzen ein, wiederholen in unterschiedlichen Worten Ihre Kernbotschaft immer wieder und bauen mit Aufmerksamkeitsfängern etliche Brücken, um zumindest das Wesentliche in Kopf und Herz des Publikums zu versenken.

7. Bringen Sie sich selbst als Person ein!
Die Geschichte vom eigenen Bruder, vom Freund eines Freundes, von Ihnen selbst: Sowas gehört einfach dazu. Wenn Sie sich selbst und Ihr Umfeld immer außen vorlassen, dann wundern Sie sich nicht, wenn man Sie auch außen vorlässt.

8. Lassen Sie rhetorisch die Muskeln spielen!
Es ist ja so einfach, die Leute zu beeindrucken: Schon bei einem kleinen Dreisatz plus Anapher glauben die Leute, dass Sie professionell schreiben können: „Unsere Expertinnen sind nah dran an der Sache. Unsere Expertinnen kennen sich aus mit der Sache. Und unsere Expertinnen helfen auch Ihnen mit der Sache!“ Oder Sie hauen mal eine Vossianische Antonomasie raus: „Der Albert Hopfner, das ist doch bloß ein Tim Wiese der FDP!“ Es gibt zahllose rhetorische Mittel, die Sie in der Schule gelernt haben – warum verwenden Sie davon nicht mal ein paar im Berufsleben?

9. Weg mit „Zeitnah“ und „Schienenersatzverkehr“ – werden Sie konkret!
Die allermeisten politischen Texte bleiben viel zu blass, weil man sich mit ihnen nicht festlegen will. Abstrakte Formeln statt konkrete Zahlen, Oberbegriffe statt Beispiele, Personen statt Menschen. Wer unanschaulich schreibt, wer keine Bilder in den Köpfen der Leute entstehen lässt, dessen Text geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. So hat man zurecht keinen Erfolg.

10. Ihre Argumentation muss plausibel sein.
Niemand sagt, dass Sie Recht haben müssen. Aber Sie müssen gute Argumente haben und sie in sich schlüssig miteinander verbinden. Eine gute argumentative Basis kann man letztlich allein durch die anderen Punkte nicht wettmachen. Und das ist ja auch irgendwie beruhigend!

Warum der Deppenbindestrich viel schlimmer ist als der Deppenapostroph

Der Deppenapostroph ist ein alter Hut, und wer sich drüber aufregt, vergisst eines: Die Kommunikation leidet unter diesem Fehler nicht. Das sieht beim Deppenbindestrich anders aus, wie wir an einem Beispiel zeigen!

Von Stefan Brunn

In der Redaktion des „ZEILEN|HACKER“ haben wir lange gerätselt, was der Shop seinen Kunden mitteilen will mit dem Schild auf unserem Bild. Zwei Optionen konkurrieren:

A: Wir akzeptieren nur Bargeld-Scheine bis 50 Euro.
Das wäre eine klare Sache, schon 100-Euro-Scheine würden an der Kasse abgelehnt. Aber warum steht dann drüber: „Für Kartenzahler“?

B: Wir akzeptieren nur Bargeld – Scheine bis 50 Euro.
Das wäre auch eine klare Sache: Man kann in diesem Shop nur mit Bargeld zahlen, allerdings nur bis 50 Euro, wenn man Scheine zückt. Zwei Haken gibt’s an dieser Logik allerdings: Wer würde ernsthaft Verkäufe oberhalb von 50 Euro lieber mit Münzen bezahlt bekommen? Außerdem bekäme bei dieser Interpretation der Hinweis „Für Kartenzahler“ einen lächerlich-diskriminierenden Subtext, der ganz sicher nicht gewollt ist.

Unterm Strich tendieren wir zu A: Für diese Auslegung spricht auch, dass das Schild rechts daneben die liebsten Kund*innen ähnlich adressiert: Offenbar möchte man nur Kund*innen, die schnell rechnen können, denn Reklamationen sind ja ausgeschlossen.

Aber mal ernsthaft: So ein Deppenbindestrich ist doch viel übler als der Deppenapostroph, über den sich die Leute immer so aufregen. An unserem Beispiel sieht man glasklar, dass darunter sogar die Klarheit der Bedeutung leiden kann.

Kurz, prägnant, präzise – wo ist denn da der Unterschied?

Sucht man in Lehrbüchern nach den Eigenschaften guter Texte, heißt es häufig: „Prägnant“ sollen sie sein. Andere sprechen von „Kürze“ oder von „Präzision“. Das aber ist alles andere als präzise! Wir finden sogar, dass ein vierter Begriff es oft viel besser trifft.

Von Hannah Molderings

Zunächst: Wo liegt zwischen „kurz“, „prägnant“ und „präzise“ der Unterschied?

1. Kurz
Beim Kriterium „Kürze“ geht es sehr banal um die reine Textmenge. Die Kürze eines Textes kann man in Zeichen, Wörtern, Zeilen oder Seiten messen. Man versucht, einen Sachverhalt mit möglichst wenigen Worten zu schildern, zum Beispiel in 3.000 Zeichen oder auf zwei Seiten. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Text prägnant ist. Und präzise ist er dadurch schon gar nicht.

2. Prägnant
Prägnant zu schreiben bedeutet, etwas in knapper Form sehr treffend auszudrücken, zum Beispiel mit einem anschaulichen Sprachbild: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hanns nimmermehr!“ – das bringt die Wichtigkeit frühkindlicher Bildung auf den Punkt. Oft erfüllen prägnante Texte gleichzeitig das Kriterium der Kürze.

3. Präzise
Wer präzise schreibt, erklärt einen Sachverhalt ganz genau und bis ins Detail. Da liegt es auf der Hand, dass präzise Texte meist nicht kurz sein können, denn sie müssen auch Ausnahmen thematisieren, sie müssen jedes Wort exakt definieren und so weiter. „Präzise“ wird leider oft mit „prägnant“ verwechselt.

4. Konzis
„Drück Dich bitte klarer und konziser aus!“ So mahnen französische Eltern ihre Kinder gern, wenn ihre Erklärungen zu sehr mäandern oder lückenhaft daherkommen. „Konzis“ gibt es als Fremdwort auch im Deutschen, nur ist es weitgehend unbekannt. Das ist schade, denn „konzis“ ist vielleicht sogar die wichtigste Komponente guten Schreibens: Man beschränkt sich genau auf das, was für den jeweiligen Zweck notwendig ist – und liefert nicht mehr und nicht weniger. Das ist dann zwar meist auch kurz, aber eben nicht absolut, sondern relativ zum Zweck.

Welche Schriftart liest sich am besten? Die Arial ist es nicht!

Über die Leserlichkeit von Schriften haben sich jahrzehntelang populäre Vorurteile gehalten, die zuletzt widerlegt wurden. Nach und nach ergeben sich fundiertere Ergebnisse. Zwei sehr wichtige stellen wir Ihnen vor.

Von Stefan Brunn

1. Was ist der wichtigste Faktor für leichtes Lesen?
Es ist NICHT die Schriftart! Viel wichtiger sind drei andere Faktoren:

• Schriftgröße
• Zeilenabstand
• Zeilenlänge

Martin Liebig, Professor für Journalismus und Mediengestaltung an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, hat diese drei Faktoren in einer Studie mit mehr als 3.000 Probanden als dominant erkannt. Die Studie (PDF) hat die 12 wichtigsten Systemschriften (von Arial und Calibri über Georgia und Times bis zur Verdana) miteinander verglichen und herausgefunden: Es gibt keinen nennenswerten Unterschied, wenn man vergleicht, welche Schriftart schneller gelesen wird. Stattdessen kommt es eben auf Größe, Zeilenabstand und Zeilenlänge an. Im Zweifel wählt man für einen Lesetext auf A4 mindestens eine 12-Punkt-Schrift, einen Zeilenabstand von 1,5 und macht die Zeilen zwischen 40 und 50 Zeichen lang. Und bei der Schriftart entscheidet man weitgehend nach Geschmack.

2. Und es gibt doch Schriften, die leserlicher sind als andere!
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat eine großartige Website für Fragen der Leserlichkeit geschaffen: www.leserlich.info. Wer auf dieser zugleich informativen wie übersichtlichen Seite die Rubrik „Schriftart“ auswählt, findet dort konkrete Empfehlungen: Unter den kostenlos verfügbaren Schriften empfiehlt der DBSV die Lucida, die Calibri und die Verdana.

Außerdem tritt der Verband dafür ein, im Zweifel Groteskschriften zu wählen, die nach dem „dynamischen Formprinzip“ aufgebaut sind. Begründung: Diese Schriften wiesen „besser unterscheidbare und offenere Buchstabenformen bei gleichzeitig geringerem Strichstärkenkontrast auf“. Man sieht den Unterschied sehr gut bei unserem Testwort „Illu“, denn das große I und das kleine l unterscheiden sich, was sie bei anderen Schriftarten wie etwa der Arial nicht tun.

Was also tut man, wenn man Texte wirklich lesbar gestalten will?
• Man wählt eine dynamische Groteskschrift aus – etwa die kostenpflichtige „Meta“ oder die kostenlose „Fira“ aus den Google Fonts.
• Man setzt die Schrift in mindestens 12 Punkt und den Zeilenabstand auf mindestens 18 Punkt.
• Man macht die Zeilen nicht länger als 50 Zeichen.
• Man formatiert den Text im linksbündigen Flattersatz und schaltet die Silbentrennung am Zeilenende aus. Das nämlich ist auch ein kleiner Lesevorteil – was allerdings noch nicht wirklich wissenschaftlich bewiesen ist …

Der Fehlanzeiger ist der bessere Hohlspiegel!

Die berühmte SPIEGEL-Rubrik „Hohlspiegel“ stellt jede Woche ein halbes Dutzend Sprachschludereien vor. Viel weniger bekannt (aber lustiger) ist der „Fehlanzeiger“ des Satiremagazins EULENSPIEGEL. Wir zeigen, warum der Fehlanzeiger dem Hohlspiegel überlegen ist!

Von Stefan Brunn

Der große Unterschied zwischen dem wöchentlichen „Hohlspiegel“ und dem monatlichen „Fehlanzeiger“ ist nicht die andere Erscheinungsfrequenz. Der Unterschied ist: Der SPIEGEL lässt die Fehler unkommentiert, der EULENSPIEGEL setzt seinen Senf drunter. Und genau dieser Senf ist oft gut gemacht: mal hämisch, mal höhnisch, mal nur wortspielerisch – aber immer lustig!

Viele der Beispiele würden ohne den Kommenar unten drunter überhaupt nicht lustig sein – und so ist es ja leider auch oft beim SPIEGEL. In dem Beispiel „Verbraucherpreise“ etwa macht ja erst der lapidare Kommentar den Witz aus.

Noch deutlicher wird’s hier beim „Tanztee“: Ohne den launigen „Walzer Ulbricht“ wär’s nicht mehr als ein kleiner Vertipper! Übrigens muss man sich nicht wundern, wenn im EULENSPIEGEL sehr oft Anklänge an die DDR stehen: Das Magazin war eben das einzige Satiremagazin der DDR, damals mit einer halben Million Auflage und noch wöchentlicher Erscheinungsweise. Der EULENSPIEGEL ist eine Art ostdeutscher TITANIC, setzt aber weit mehr auf Cartoons.

Übrigens findet man die Rubrik „Fehlanzeiger“ auch als Blog strukturiert und kostenlos im Netz – auch das ist ein Unterschied zum „Hohlspiegel“ des SPIEGEL.

Regelmäßig liefern wir in unserem Newsletter ZEILEN|HACKER einen „Murx des Monats“ aus. Oft geht es um lustige Rechtschreibfehler, manchmal um Stilblüten oder auch um besonders dämliche Texte. Der Stoff dafür geht uns nie aus! Und ja: Wir wissen, dass man Murks nicht mit X schreibt!

Wird die Leichte Sprache zu lieblos gestaltet?

Es ist paradox: Broschüren werden professionell und aufwendig gestaltet, wenn sie sich an die Allgemeinheit wenden. Wenden Sie sich aber in Leichter Sprache an Menschen mit geringerer Lesekompetenz, sehen alle Texte gleich aus. Zwei engagierte Frauen setzen sich nun dafür ein, dass die Leichte Sprache besser gestaltet wird.

Von Stefan Brunn

Einfachheit gehört zu den wichtigsten Prinzipien, wenn man anderen etwas leicht verständlich erklären möchte. Das gilt für die Wortwahl, das gilt für den Satzbau, das gilt auch für die Typografie. Teil der Typografie ist aber auch, dass nicht alles gleich aussehen darf: Indem wir typografische (oder auch layouterische, also „makrotypografische“) Signale erhalten, wird uns das Verstehen erleichtert. Solche Signale nutzen das Vorwissen des Empfängers oder der Empfängerin: „Aha, da ist ein einzelner Satz irgendwie hervorgehoben, das scheint ein besonderer Hinweis zu sein!“ Und genau dieses Vorwissen nutzen gute DesignerInnen gern aus, um leicht und schnell Orientierung in den Informationen zu schaffen.

In der Leichten Sprache jedoch sehen alle Texte gleich aus (in den beiden hier abgebildeten Broschüren der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird der Unterschied sehr deutlich). Diese Art der extrem einfachen Gestaltung ist aber keineswegs zweckdienlich, kritisiert die Münchner Gestalterin Sabina Sieghart. Gerade die Zielgruppe der Leichten Sprache brauche eine attraktive, zum Lesen einladende Gestaltung. „Wieso werden in der Praxis nicht sämtliche Erkenntnisse zur typografischen Gestaltung genutzt?“, fragt sie in einem kritischen Statement unter dem Titel „Leichte Sprache – Design für alle“.

Im gleichen Papier resümiert sie den bisherigen wissenschaftlichen Diskurs zur Leichten Sprache mit dem traurigen Ergebnis: „Die visuelle Übersetzung, also Typografie und Design, wird schlichtweg nicht berücksichtigt.“ Es gebe durchaus linguistische und sozialwissenschaftliche und auch IT-Forschungsprojekte, jedoch kein Forschungsprojekt im Bereich des Designs. Das zu ändern, haben sich Sieghart und die Germanistik-Professorin Bettina M. Bock inzwischen allerdings aufgemacht (siehe Video unten).

Im Regelwerk zur Leichten Sprache des Bundessozialministeriums würden weder Mikro- noch Makrotypografie überhaupt erwähnt, moniert Sieghart. Als mögliche Gründe für die Abwesenheit des Designs in der Leichten Sprache kann sie sich mehrere vorstellen: „Offenbar geht die ,Leichte Sprache‘-Praxis also davon aus, dass die Adressatenkreise diese grafischen Informationen im Textverstehensprozess nicht brauchen oder nicht nutzen können.“ Es könne aber auch sein, dass einfach noch gar nicht bedacht wurde, dass die grafische Gestaltung für das Gesamtverständnis eine zentrale Rolle spielt. Und noch ein dritter Grund kommt für Sieghart in Betracht, ein sehr banaler: Praktiker hätten ihr nämlich von geringen Budgets für die unangenehme Pflichtaufgabe der Leichten Sprache berichtet.

Weitere Infos: gestaltungsinstitut.de

Die Designerin Sabina Sieghart schildert in diesem Video zusammen mit der Germanistin Bettina M. Bock, Juniorprofessorin an der Universität zu Köln, ihre Sicht auf die Mängel der derzeitigen Leichte-Sprache-Praxis.

Wasser und Wässer, wo ist da der Unterschied?

Bei einigen Substantiven fragen auch wir uns hin und wieder: Wie lautet da die korrekte Pluralform? Sind es eigentlich mehrere Wasser oder mehrere Wässer? Das kommt ganz drauf an, wovon man eigentlich spricht …

Von Hannah Molderings

Das Substantiv „Wasser“ hat nämlich zwei unterschiedliche Pluralformen. Man unterscheidet zwischen dem gewöhnlichen Plural und dem sogenannten Sortenplural:

Gewöhnlicher Plural: Spricht man von Wassermassen, Fluten oder Gewässern, nutzt man die nicht umgeformte Variante des Plurals: „Der ist wirklich mit allen Wassern gewaschen“ oder „Wir stehen an den heiligen Wassern des Ganges“.

Sortenplural: Spricht man hingegen von einer ganz speziellen Flüssigkeit, lautet der Plural „die Wässer“. Dann muss es richtig heißen: „Ich kaufe mir verschiedene Mineralwässer“ oder „In der Drogerie teste ich mehrere Duftwässer“. Durch die Verwendung des Plurals „Wässer“ macht man also deutlich, dass man hier von verschiedenen Sorten von Wasser spricht.

Übrigens: Die Systematik aus Sortenplural und gewöhnlichem Plural lässt sich nicht einfach auf andere Pluralformen übertragen. Bastian Sick erklärt die Entscheidung zwischen „Generäle“ und „Generale“ zum Beispiel so: Nutzt man die umgelautete Form „Generäle“ als Plural, betrachtet man das Wort mehr als deutsches Wort als als Fremdwort.