Seit über 100 Jahren wettern Stilkritiker dagegen, Jahreszahlen die Präposition „in“ voranzustellen. Das sei ein nutzloser Anglizismus. Doppelt falsch: Weder ist „in 2020“ ein Anglizismus noch ist diese Schreibweise komplett nutzlos.
Von Stefan Brunn
Schon 1870 schrieb der berühmte Sprachpfleger Gustav Wustmann in dem Buch „Allerhand Sprachdummheiten“ von einer „willkürlichen Nachäfferei des Französischen und des Englischen“. Das war ein Irrtum, wie man heute weiß. Wie das Institut für Deutsche Sprache nachweist, wurde die Präposition „in“ vor einer Jahreszahl schon 1732 benutzt. Spätestens. Ein Englisch-Professor der FU Berlin weist auch in den folgenden Jahrhunderten viele weitere Verwendungen nach. Von einem Anglizismus kann also nun wirklich keine Rede sein. Vermutlich könne man eher von einem Latinismus ausgehen, meint der Experte.
Unnötig beziehungsweise überflüssig ist die Fügung aus „in“ und Jahreszahl auch nicht. Im Gegenteil: Es gibt drei recht ordentliche Argumente, sich diese Option vorzubehalten.
1. Diese Art der Formulierung trennt Zeitpunkt und Zeitraum eindeutiger.
Zu einem Zeitpunkt oder in einem Zeitraum dieses Jahres?
Bernard Dietz gewann 1980 die Europameisterschaft als Kapitän.
Im Zeitraum dieses Jahres:
Dominik Schmidt spielte in 2012 in den drei höchsten Spielklassen Deutschlands und der Champions League.
2. Eindeutig wären im obigen Bernard-Dietz-Satz ja auch die Formulierungen „Im Jahr“ oder „im Jahre“. Diese Formulierungen sind aber nicht nur veraltend, sie sind vor allem auch länger. Überall da, wo es auf kurze Texte ankommt, ist „in“ plus Jahreszahl vorteilhaft. Genau deshalb ist es im Wirtschaftsbereich so beliebt.
3. In manchen Fällen trennt das „in“ auch zwei Ziffern und sorgt damit für mehr Übersicht:
Unübersichtlich ohne „in“:
Die Zahl der Obdachlosen stieg von 5774 2018 auf 6288 2019.
Übersichtlicher mit „in“:
Die Zahl der Obdachlosen stieg von 5774 in 2018 auf 6288 in 2019.
In solchen Fällen empfiehlt sogar die Duden-Redaktion die Verwendung des „in“ vor der Jahreszahl – obwohl sie diese Kombination sonst (noch) nicht als standardsprachlich anerkennt.
In ihrer zahlenmäßigen Dominanz ist die bloße Jahreszahl auch nicht gefährdet, wie das Institut für Deutsche Sprache belegt. Man muss sie also nicht schützen wie Spitzmaulnashörner.
Unterm Strich empfiehlt der Zeilenhacker:
Meist reicht die bloße Jahreszahl, dann verzichtet man frohgemut auf das „in“ und tut keinem weh. Aber wenn Ihnen manchmal deucht, ein „in“ vor der Jahreszahl wäre in diesem Fall doch nicht schlecht: Tun Sie’s ohne schlechtes Gewissen und hören Sie nicht auf angebliche Sprachschützer!




manche der Totgeschriebenen ihre eigenen Nachrufe kommentierten: „Ich inhalierte sie wie Schmuggelware. Die meisten von ihnen hätte ich selber nicht halb so gut schreiben können“, soll Ernest Hemingway gesagt haben. Und Mark Twain notierte feinsinnig: „Die Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben.“ Als er allerdings darum bat, man möge den Fehler rasch widerrufen, habe der Zeitungsmann das abgelehnt: „Was gedruckt ist, ist gedruckt. Wir nehmen nie etwas zurück. Alles, was wir tun können, ist, eine neue Geburtsanzeige von Ihnen einzusetzen. Preis: 1 Dollar.“




Der Berliner Verlag Reprodukt macht wundervolle Bücher. Dazu gehören die Comic-Reportagen des Kanadiers Guy Delisle, den eine breite Öffentlichkeit eher durch seine Bestseller „Ratgeber für schlechte Väter“ kennt. Künstlerisch interessanter sind allerdings seine Reportagen, denn darin gelingt Delisle etwas Einzigartiges: Er stellt uns in Bildern sehr lustig und kurzweilig fremde Länder reportagehaft vor. Eine dieser Reportagen galt Nordkorea, eine China, eine Birma, eine Israel. Delisle gehört zu den ganz wenigen international bekannten Künstlern in der jungen Gattung der Comic-Reportagen.


