Lothar Matthäus bezeichnete jüngst im Fernsehen mehrere Spieler von Schalke 04 als „enteiert“. Viele Medien übernahmen die Metapher in ihre Berichte. Auch im Kulturteil von „Spiegel“ und „Zeit“ wurde sie schon gebraucht – und eine Ministerin verband den bildlichen Vergleich sogar mit einem sozialen Appell.
Fußballexperte Matthäus hat die Metapher weder erfunden noch hat er sie exklusiv – im Fußball ist sie weit verbreitet. Auch Spieler und Trainer nutzen sie in Interviews regelmäßig. Nur selten setzt sich mal jemand dagegen zur Wehr wie einst Wolfsburgs Ex-Trainer Thomas Doll. „Man neigt ja dazu zu sagen, dass der Trainer enteiert wird. Das sollte man einfach mal lassen“, kritisierte er schon vor Jahren.
Allerdings war dann das Gegenteil der Fall: Die Metapher breitete sich in den letzten zehn Jahren immer weiter aus. Im Spiegel-Kulturteil stand einmal folgender Satz:
Ihr Mann wird inzwischen als „Hausfrau“ enteiert, gefällt sich aber immer besser als Softie, der mit den Waffen des Weibischen am Pool schnatternden Gänsen den Schmuck seiner Frau andreht.
Im ZEIT-Magazin schrieb eine Kulturreporterin:
Bei allen hitzigen Diskussionen, wer was und wie viel im Dirndlkörbchen auszustellen hat, wird ja gerne übersehen, dass die Kleiderordnung der globalen Korporationen den Mann – nun ja, enteiert hat.
Und die ehemalige bayerische Staatsministerin Christine Haderthauer setzte sich in der Rheinischen Post mit der Metapher dafür ein, nicht alles zu verteufeln, was Männlichkeit ausmache:
„Enteiert mir die Jungs nicht!“
Natürlich ist „enteiern“ ein Anschluss an die Metapher „Keine Eier in der Hose haben“, die umgekehrt auch als „Eier haben“ existiert. Beide werden sicherlich von vielen als obszön (oder wenigstens als unfein) betrachtet. Insofern ist die Verwendung nicht klug: Metaphern sind nicht nur irgendein rhetorisches Mittel. Sondern sie prägen auch unser Denken. Das ist menschlich hässlich gegenüber den Bezeichneten (zum Beispiel bestimmten Trainern oder Spielern). Trainer (oder auch Politiker), denen ihr Chef reinredet, oder Spieler, die verliehen werden, sind nicht schlechter als zuvor – nur geschwächt in ihrer Position. Gerade deshalb verbietet sich dann diese Metapher.
Außerdem färbt das Image der Metapher immer auch auf den ab, der sie verwendet. Der Nobelpreisträger Paul Krugman hat sich einmal gegen schlechte Metaphern ausgesprochen, weil sie schlechtes Denken und schlechtes Handeln erzeugen können. „Enteiern“ gehört garantiert dazu, denn es erzeugt eine menschenverachtende Sichtweise.
Stefan Brunn