Schlagwort: Lesbarkeit

Endlich: Die 0 kriegt einen Strich!

Wie sieht eine Schrift aus, die sich nicht an kommerziellen Wünschen orientiert, sondern konsequent an der besten Leserlichkeit? Das kann jetzt jeder auf dem eigenen Rechner sehen: Der Font „Atkinson Hyperlegible“ des Braille-Instituts kostet nichts und sieht auch noch gut aus.

Von Stefan Brunn

Diese besondere Schrift zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie ähnliche Zeichen möglichst deutlich voneinander unterscheidet. Deshalb hat die Null hier einen Rückstrich erhalten. Und auch bei üblichen Problemkandidaten wie 1Iil hat man sich viel Mühe gegeben, die Formen voneinander abzugrenzen:

Wie gut sich das auswirkt, sehen Sie an den beiden Bildbeispielen. Oben erkennt man auch bei verschwommener  Sicht noch die Unterschiede zwischen großem und kleinem „i“ sowie zum kleinen „l“. Unten dagegen, bei der Arial, sind diese Unterschiede fast nicht mehr zu erkennen.

Der Font richtet sich zwar in erster Linie an Leser*innen mit Sehschwäche. Aber auch für alle anderen ist sie supergut lesbar – und sieht nicht mal schlecht aus! Auch enthält sie mehrere Hundert Sonder- und Akzentzeichen wie etwa das deutsche ß oder Ä.

Der Font ist frei verfügbar unter

https://brailleinstitute.org/freefont

Der Name der Schrift leitet sich übrigens vom Gründer des Braille-Instituts J. Robert Atkinson ab.

Schreiben wir bald alle in der Bierstadt?

In Word-Dokumenten ist seit 2007 die Calibri als Standardschrift voreingestellt. Im kommenden Jahr ändert Microsoft die Standardschrift. Infrage kommen einige Fonts – mit wenigen, aber bedeutsamen Unterschieden.

Von Stefan Brunn

Wenn Microsoft den Schrift-Standard ändert, dann ist das keine Kleinigkeit. Word, Powerpoint und Excel sind weltweit auf Milliarden Rechnern installiert. All diejenigen, auf deren Rechnern die neue Schrift dann nicht installiert ist, sehen den Text anders, ersetzt durch eine andere Schrift.

Was aber noch viel wichtiger ist: Die Entscheidung über die neue Schrift wird auf viele Jahre hinaus unser Lesen beeinflussen, entweder zum Besseren oder zum Schlechteren. Wie man an obigem Bildbeispiel sieht, halten sich die Unterschiede gottlob in engen Grenzen: Wirklich vom gewohnten Bild abweichende Buchstaben gibt es hier nicht.

Aber: Man sieht auch, dass zum Beispiel die Grandview deutlich größer ausfällt als die Konkurrenz – bei gleich eingestellter Schriftgröße. Da die Schriftgröße der entscheidende Faktor bei der Lesegeschwindigkeit ist, betrifft uns das alle, besonders natürlich die Sehschwächeren. Hier hätte also die Grandview deutlich die Nase vorn. Leider ist sie typografisch wohl der schlechteste Griff. Der weltweit bekannte Schriftexperte Erik Spiekermann bezeichnet sie als „Gurke“, als eindeutig schlechteste in der Auswahl. Spiekermanns Empfehlung wäre dagegen die Seaford, die er sehr lebendig findet.

Unsere Empfehlung dagegen wäre die Bierstadt, die sehr nah an Arial/Helvetica ist. Unser Argument: Ähnliche Buchstaben unterscheidet die Bierstadt besser als die Konkurrenz. In unserem Bildbeispiel sieht man das beim großen I und beim kleinen l und auch beim g im Unterschied zum q ganz gut:

Die Bierstadt ist übrigens nach einem Berg in Colorado benannt. „Wer will keine Schrift haben, die Bierstadt heißt?“, spottete Spiekermann in einem DLF-Interview, „Bierzelt fände ich noch besser!“ Der Experte glaubt aber durchaus, dass die Bierstadt das Rennen machen werde …

Das Interview mit Erik Spiekermann (knapp 7 Minuten) können Sie hier hören:

 

Wo finde ich die Schriften?

Die genannten Schriftarten sind bei allen Word-Benutzern mit einem Microsoft365-Abo bereits enthalten. Andere Nutzer können sie noch nicht legal herunterladen. Auf Twitter führt Microsoft auch eine Diskussion mit Usern über die Gebrauchstauglichkeit der Schriften: https://twitter.com/Microsoft/status/1387421384582733827

Der schöne Blocksatz muss auf die Anklagebank!

Abbildung zum Blocksatz

Abbildung zum BlocksatzBlocksatz oder Flattersatz? Schöner finden viele ja den Blocksatz. Redakteur*innen jedoch wissen: Der Blocksatz neigt dazu, kriminell zu werden. Wir plädieren in drei Anklagepunkten gegen ihn!

Punkt 1: Blocksatz treibt die Wörter auseinander!

Beim Flattersatz ist der Abstand zwischen den einzelnen Wörtern immer genau gleich groß. Daran gewöhnt sich das Auge der LeserIn. Und weil das Auge sich daran gewöhnt, kann es leichter lesen. Flattersatz liest man also schneller als Blocksatz – es sei denn, man hat beim Blocksatz die Silbentrennung am Zeilenende eingeschaltet. Aber selbst dann: Die ungleichen Zeilenenden beim Flattersatz erleichtern dem Auge den Sprung zwischen den Zeilen und geben ihm Orientierung. Was also die Lesegeschwindigkeit angeht, hat der Blocksatz keine Chance!

Punkt 2: Silbentrennung erzeugt Fehler und verlangsamt das Lesen!

Wer den Blocksatz wählt und die Silbentrennung einschaltet, riskiert, gleich zwei Fehler auf einmal zu machen. Erstens klappt die nämlich nicht, heraus kommen dann so fiese Sachen wie Fachar-beiter, Ge-nomeditierung, Drucker-zeugnis, Urin-stinkt und so weiter. Semantik ist eben nicht die Sache des Computers. Aber was zweitens noch viel schlimmer ist: Texte sind ja oft dafür gedacht, von einem Dokument ins andere zu wechseln. Und dabei rutschen dann sehr gern die Trennungen in die Zeilenmitte. Das haben Sie bei Anzeigenblättchen bestimmt auch schon gesehen – oder inzwischen sogar bei Tageszeitungen. Nee, Silbentrennung wird höchstens in einem von zehn Fällen professionell durchgeführt – in den anderen neun Fällen kommt Pfusch heraus.

Punkt 3: Im Netz klappt’s erst recht nicht mit Blocksatz!

Vielleicht haben Sie schon mal gehört, dass die meisten Websites inzwischen „responsiv“ sind. Das heißt, dass sich die Seiten an die Endgeräte anpassen. Super, oder? Das funktioniert aber bloß mit Flattersatz. Bei Blocksatz-Texten, die auf eine responsive Website wandern, wird’s im Netz richtig hässlich! Da hören dann die Zeilen mittendrin auf und fangen gottweißwo wieder an – überall Lücken und falsche Trennungen und verlorene Striche und so weiter.


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Unterm Strich kommen wir zu dem Ergebnis: Machen Sie gern Blocksatz, wenn Sie ihn schöner finden. Aber sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!