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Gendern: Der Rechtschreibrat blamiert sich wieder

In der Vorberichterstattung hatten die Medien wieder einmal die Hoffnung geweckt, der Rat für deutsche Rechtschreibung würde in dieser Woche die Frage des Genderns im Deutschen klären. Und tatsächlich erzielte der Rat einen Kompromiss, der einstimmig von Gender-Gegnern und –Befürworter*innen beschlossen wurde.

Von Stefan Brunn

Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so wichtig wäre: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat vergangene Woche die „Eupener Beschlüsse“ gefasst und darin einen Kompromiss über das Gendern im Deutschen erzielt. Das wäre, nach 50 Jahren Streit um dieses Thema, eine echte Held*innenleistung. In Wahrheit gleicht das Ergebnis aber dem des sprichwörtlichen Hornberger Schießens: Man kündigt mit großem Getöse etwas an und am Ende kommt nichts heraus. Der Ratsvorsitzende Josef Lange verhedderte sich in der Abschluss-Pressekonferenz in germanistischen Details und ahnte da bereits, dass er es niemandem recht machen würde. Und tatsächlich: Das, was hier mit großem Aufwand geschaffen wurde, hat diese Aufmerksamkeit in keinster Weise verdient.

Was ist denn eigentlich herausgekommen?
1. Zum wiederholten Male beschließt der Rat, dass er eben keine Empfehlung zum Gendern ausspricht.
2. Er nimmt die Sonderzeichen Binnen-I, Binnen-Doppelpunkt, Genderstern und Unterstrich ins Inventar der deutschen Orthographie auf und erstellt dafür einen eigenen Abschnitt „Sonderzeichen“, in den auch solche Zeichen wie % oder § gesteckt werden.

Die Beschlüsse wurden einstimmig gefasst – obwohl im Rat sowohl überzeugte Gender-Gegner als auch überzeugte Gender-Befürworter*innen sitzen und diese sich bis um zwanzig vor Zwei nachts gezankt haben. Warum konnten sie dann etwas einstimmig verabschieden? Offenbar aus einem einzigen Grund: weil beide Seiten denken, dass die Beschlüsse für unsere Sprache keinerlei Bedeutung haben!

Wer ist eigentlich dieser Herr Koch-Institut?

Bei Eigennamen richtet man sich nicht nach Rechtschreib-Regeln! Das wissen die meisten Journalisten und übernehmen zum Beispiel das R K-I-Deppenleerzeichen in ihre Berichte. Manchmal geht’s aber auch ganz schön durcheinander …

Wortzusammensetzungen schreibt man im Deutschen entweder zusammen oder mit Bindestrich: Garagentor oder Garagen-Tor. Das ist semantisch wichtig, denn es gibt einen Zusammenhang: Die Wörter hängen logisch zusammen, indem das hintere Grundwort vom vorderen Bestimmungswort näher bestimmt wird.

Viele Unkundige machen das falsch, was oft Anlass zu Spott bietet: „24 Monate ohne Grund Gebühr“ oder „Trink Wasser für Hunde“ sind beliebte Beispiele, um gegen das sogenannte Deppenleerzeichen anzukämpfen. Weitere Beispiele unter www.deppenleerzeichen.info.

Sogar Ämter halten sich nicht immer an die amtlichen Rechtschreibvorgaben, meist wohl aus Unwissenheit:
Schild aus Wuppertal, das von Halle über 400 Kilometer entfernt ist … Gemeint ist: Uni-Halle.

Aber was ist mit den Journalisten großer Nachrichtenanstalten, bei denen Rechtschreibung zum Beruf gehört? Selbst die Tagesschau schreibt kontinuierlich Robert Koch-Institut, obwohl es sich ja nicht um ein Koch-Institut mit dem Vornamen Robert handelt!

Nun, die Tagesschau fügt sich den amtlichen Regeln. Diese Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung lauten so:

„Die Schreibung mit Bindestrich bei Eigennamen entspricht nicht immer den folgenden Regeln, so dass nur allgemeine Hinweise gegeben werden können. Zusammensetzungen aus Eigennamen und Substantiv zur Benennung von Schulen, Universitäten, Betrieben, Firmen und ähnlichen Institutionen werden so geschrieben, wie sie amtlich festgelegt sind.“

Amtlich festgelegt wiederum sind beim Robert-Koch-Institut zwei Schreibweisen, einmal eben „Robert Koch-Institut“ als Wortmarke und sogar „Robert Koch Institut“ als Bildmarke. Insofern handelt die Tagesschau amtlich korrekt und auch konsequent. Sie schreibt ja zum Beispiel auch „Mercedes-Benz Museum“. Das machen auch Spiegel und Zeit so.

Ganz konsequent sind die deutschen Redaktionen aber auch wieder nicht, wie dieses Zusammenspiel von Süddeutscher Zeitung und Deutscher Presse-Agentur zeigt:


Oben pfui, unten hui: Es kennen eben auch nicht alle Journalisten die Eigennamen-Ausnahme von der Regel. Andere halten sich einfach nicht dran, vielleicht weil das Leerzeichen sie stört. Das hat durchaus Tradition. Schon das große Journalisten-Vorbild Kurt Tucholsky (1890–1935) hatte sich über das Deppenleerzeichen lustig gemacht: „Welch ein Bock Mist.“

Vorsicht, Verwechslungsgefahr bei Vereinen!

Institute und Vereine zur Deutschen Sprache gibt’s etliche, und viele tragen recht offiziell klingende Namen. Der mitgliederstärkste Verein, dem auch viele namhafte Promis angehören, erregt immer wieder die Gemüter. Wir halten die Organisationen mal sauber auseinander!

Allgemeiner Deutscher Sprachverein
Dieser Verein wurde 1885 in Braunschweig gegründet und hatte sich der Bekämpfung von Fremdwörtern im Wortschatz der deutschen Sprache verschrieben. Mit wechselhaftem Erfolg: In manchen Bereichen gelang es ihm durchaus, Fremdwörter auszumerzen, zum Beispiel im Verkehrswesen (etwa „Fahrkarte“ statt „Billett“ oder „Bahnsteig“ statt „Perron“). Viele Eindeutschungsversuche gingen den Menschen aber auch zu weit oder erschienen ihnen lächerlich. Paradoxerweise endete der Verein unter Hitler. In einem Minister-Erlass von 1940 heißt es wörtlich: „Der Führer wünscht nicht derartige gewaltsame Eindeutschungen und billigt nicht die künstliche Ersetzung längst ins Deutsche eingebürgerter Fremdworte.“ Rechtsnachfolgerin des ADSV wurde die Gesellschaft für deutsche Sprache, deren Ziel jedoch keineswegs die Abschottung des deutschen Vokabulars ist.

Gesellschaft für deutsche Sprache
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) soll die deutsche Sprache pflegen und erforschen sowie ihre Funktion im globalen Zusammenhang erkennbar machen. Finanziert wird sie hauptsächlich von der deutschen Kultusministerkonferenz und dem Kulturstaatsminister. Die GfdS unterhält einen Sprachberatungsdienst, der Privatpersonen, Firmen, Behörden und Institutionen bei Fragen zu Rechtschreibung, Grammatik oder Stil unterstützt. Die GfdS wählt jährlich sehr publikumswirksam die „Wörter des Jahres“ und berät Bundestag und Bundesrat sowie Ministerien und Behörden der Länder in Sprachfragen. Nach eigenen Angaben hat die GfdS rund 3.000 Mitglieder.

Verein Deutsche Sprache
Mit mehr als 36.000 Mitgliedern ist der Verein Deutsche Sprache mehr als zehn Mal so zahlreich wie die GfdS. Man sollte den VDS aber schon deshalb nicht mit den anderen verwechseln, weil er in den vergangenen Jahren immer wieder in Zusammenhang gebracht wurde mit Positionen der AfD und anderen Akteuren des rechten Spektrums. 2016 protestierten 30 SprachwissenschaftlerInnen beim Deutschen Hochschul-Verband, weil der seinem Magazin „Forschung & Lehre“ das VDS-Blatt „Sprachnachrichten“ beigelegt hatte. Der VDS bediene immer wieder nationalistische Tendenzen, heißt es in dem Brief unter anderem, und: „Die provokanten und teils politisch gefährlichen Thesen des Vereins haben wenig bis nichts mit (Sprach-)Wissenschaft zu tun. Im Gegenteil: Sie widersprechen größtenteils den Erkenntnissen der Linguistik.“ Gleichwohl hat der VDS sehr prominente Unterstützer, unter anderem Dieter Hallervorden, Ottmar Hitzfeld, Hape Kerkeling, Peter Kraus, Jürgen von der Lippe, Christian Quadflieg oder sogar Stilistik-Experten wie Wolf Schneider oder Bastian Sick. In den letzten Jahren war der VDS immer dann in den Schlagzeilen, wenn es um sprachliche Gleichberechtigung ging. Seinem Aufruf „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ schlossen sich auch einige namhafte SchriftstellerInnen an. Gegründet wurde der VDS 1997 als „Verein zur Wahrung der deutschen Sprache“. 2000 wurde er in „Verein Deutsche Sprache“ umbenannt.

Institut für deutsche Sprache
Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim hat die Aufgabe, die deutsche Sprache zu dokumentieren und zu erforschen. Das IDS verfügt über die größte existierende Sammlung von Tonaufnahmen und den größten deutschsprachigen Textkorpus (mehr als 43 Milliarden Wörter). Das IDS wird jeweils zur Hälfte vom Bund und vom Land Baden-Württemberg getragen. Seit 2019 gehört das IDS zur Leibniz-Gemeinschaft und heißt offiziell Leibniz-Institut für Deutsche Sprache. Das IDS beschäftigt rund 225 Mitarbeiter, davon sind über 100 wissenschaftliche Angestellte.

Rat für deutsche Rechtschreibung
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat vor allem die Aufgabe, das Regelwerk des Deutschen weiterzuentwickeln. Der Rat gehört eben nicht zu Deutschland, sondern er ist ein zwischenstaatliches Gremium der Länder, in denen Deutsch gesprochen wird. Er formuliert das amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, das dann von privaten Verlagen (wie dem Duden) interpretiert und in größerem Rahmen veröffentlicht wird. Im Rechtschreibrat stimmen rund 40 Experten aus 7 Ländern und Regionen über alte und neue Regeln ab. Neben WissenschaftlerInnen sind auch SprachpraktikerInnen ehrenamtlich für den Rat tätig.