Schlagwort: forschung

Schwammige Antworten kosten Sympathie

Unklare Antworten machen uns unbeliebt: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Menschen, die auf Fragen ungenau antworten, als weniger sympathisch wahrgenommen werden. Bei unangenehmen Themen liegen die Dinge aber manchmal anders …

Der Ansatz der Studie
Die Forscher Deming Wang von der James Cook University in Singapur und Ignazio Ziano von der Universität Genf haben in einer umfassenden Studie untersucht, wie sich unklare Antworten auf die Wahrnehmung von Sympathie auswirken. Die Studie umfasste insgesamt 9 Experimente mit über 2.600 Teilnehmern, die größtenteils in westlichen und asiatischen Ländern befragt wurden. Dabei zeigte sich, dass Menschen, die auf alltägliche Fragen vage antworten, als weniger sympathisch, weniger warm und weniger extravertiert wahrgenommen werden. Dieses Ergebnis wurde in unterschiedlichen sozialen Kontexten bestätigt, darunter in Gespräche mit Freunden, Nachbarn und auch bei Bewerbungsgesprächen. 

Die konkreten Ergebnisse
In einem Experiment, bei dem ein Abendessen zwischen Freunden simuliert wurde, stellte eine Großmutter ihrem Enkel die Frage: „Wie lange hast du das Fleisch gegart?“ Anstatt präzise zu antworten, antwortete der Enkel nur: „Schon eine Weile.“ Diese vage Antwort führte dazu, dass 73 Prozent der Beobachter ihn als weniger sympathisch und sogar etwas unzuverlässig einstuften. Eine ähnliche Szene spielte sich in einem Bewerbungsgespräch ab. Auf die Frage „Wie viel verdienen Sie im Jahr?“ antwortete ein Bewerber lapidar: „So viel wie die meisten Büroangestellten.“ Ergebnis: Fast 60 Prozent der Teilnehmer würden ihn nicht einstellen – so kann man seine Chancen ruinieren. Ein weiteres Beispiel stammt aus einem Gespräch zwischen einem Sohn und seinem Vater: „Wie viel willst du für dein Auto haben?“ Sohn: „So viel die meisten gebrauchten Limousinen kosten.“ Auch er wurde er als weniger sympathisch wahrgenommen. 

Ausnahme: sensible Themen
Die Studie zeigt aber auch, dass Menschen bei sensiblen oder potenziell verletzenden Themen durchaus Verständnis für unklare Antworten haben. Ein Beispiel dafür war eine Frage in einem medizinischen Kontext, in dem ein Patient seinen Arzt fragt: „Wie lange werde ich noch zu leben haben?“ Die vage Aussage „noch einige Zeit“ schien hier 54 Prozent der Befragten nicht nur akzeptabel, sondern sympathisch und einfühlsam. Immerhin ersparte der Arzt dem Patienten so die volle Härte der Diagnose. Die Sympathie des Arztes wurde durch die unklare Antwort nicht beeinträchtigt, da die Teilnehmenden den Grund nachvollziehen konnten. 

Fazit: Konkretheit zahlt sich aus
Die Forscher schlussfolgern unterm Strich dennoch, dass klare und konkrete Antworten in den meisten sozialen Interaktionen den Vorzug verdienen. Sowohl in professionellen als auch in privaten Kontexten können allzu vage Antworten durchaus Sympathie und Vertrauen untergraben.



Link zur Studie:

Deming Wang & Ignazio Ziano: Give Me a Straight Answer: Response Ambiguity Diminishes Likability. https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/01461672231199161

Gut ausgebildete Lügner

Was denken Sie über jemanden, der sich selbst als „Storyteller“ bezeichnet? Viele Journalist:innen glauben, dass sie mit diesem Etikett besonders realitätsnah wirken. Eine neue Studie zeigt, wie es wirklich ist …

Von Hannah Molderings

Journalist:innen, die sich in ihren Profilen als „Storyteller“ beschreiben, werden als unglaubwürdig oder sogar voreingenommen eingeschätzt. Vermutlich also genau das Gegenteil von dem, was sie sich erhoffen. Eigentlich wollen sie mit diesem Begriff deutlich machen, wie nah an der Realität sie ihre Themen aufbereiten, glaubt Brian Calfano, einer der drei Autoren der US-amerikanischen Befragung über 2.000 Erwachsener.

Und so lief die Befragung genau ab: Die Proband:innen wurden in zwei Gruppen geteilt. Beiden Gruppen wurde der identische Zeitungsartikel gezeigt. Die Proband:innen aus der einen Gruppe erhielten aber eine zusätzliche Info über den Autor des Artikels: die Profilbeschreibung aus seinem LinkedIn-Profil. Dort bezeichnete er sich selbst als „Storyteller“. Die Ergebnisse waren eindeutig: Diese Gruppe bewertete den Artikel signifikant häufiger als unglaubwürdig, sensationsgierig oder schlecht recherchiert.

Bei der offenen Frage „Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Begriff ‚Storyteller‘ in der Biografie eines Journalisten sehen?“ wurde es dann fast schon persönlich: „Klingt für mich wie ein gut ausgebildeter Lügner“ oder „Ich habe das Gefühl, dass seine Geschichten erfunden sind“. Insgesamt enthielten von den 1.733 Antworten zwei Drittel solche negativen Beurteilungen. In nur 13 Prozent positiven Antworten hieß es dagegen, diese Journalist:innen „können eine Geschichte gut beschreiben“ oder „erzählt so gut, dass es einen hineinzieht“.

Das Niemanlab der Universität Harvard hat ausführlich über die Studie berichtet.

Die komplette Studie zum Nachlesen:
Bad Impressions: How Journalists as “Storytellers” Diminish Public Confidence in Media, Brian Calfano, Jeffrey Layne Blevins, Alexis Straka

Den Leser zur Schnecke machen

Wenn wir chatten, was ist dann schneller zu lesen: ein geschriebenes Wort oder ein Bildzeichen? Forscher:innen mehrerer deutscher Unis haben das jetzt nachgemessen und klare Ergebnisse erzielt.

Von Stefan Brunn

Wer Emojis schreibt, macht das Lesen deutlich langsamer. Während die durchschnittliche Lesezeit für ein ausgeschriebenes Wort etwa 450 Millisekunden beträgt, benötigt man zur Lektüre eines entsprechenden Emojis zwischen 800 und 900 Millisekunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Potsdam und der Berliner Charité.

© RUB, Marquard

Die Forscher:innen hatten 61 deutschsprachigen Proband:innen (überwiegend Bachelor-Studierende an der Universität Potsdam) diverse Sätze vorgelegt und zweierlei geprüft: Ob das Verständnis jeweils auch mit Emojis funktioniert und wie lang der Leseprozess dauert. Ergebnis 1: Die Proband:innen verstehen die Emojis fast immer gut. Ergebnis 2: Sie brauchen deutlich länger, um den Inhalt aufzunehmen. Ein Beispiel für die zwei Vergleichssätze:

A: Wir sitzen im Auto und kommen bald nach Hause.
B: Wir sitzen im 🚗 und kommen bald nach Hause.

Tendenziell stimmen die Ergebnisse mit anderen Ergebnissen für Emoji-Lesezeiten überein.  Emojis selbst werden etwa 50 Prozent langsamer gelesen als Wörter. Das bedeutet jedoch nicht, dass der ganze Satz nur halb so schnell gelesen würde.

Differenzieren muss man auch zwischen sehr geübten Emoji-Nutzern und anderen. „Proband:innen, die nach ihrer Selbsteinschätzung Emojis häufiger verwenden, lesen die inhaltlich passenden Emojis durchschnittlich schneller“, erklärt die Studienleiterin Tatjana Scheffler, Juniorprofessorin für Digitale Forensische Linguistik an der Uni Bochum.

Die Studie „The processing of emoji-word substitutions“ wurde veröffentlicht in der Wissenschaftszeitschrift „Computers in Human Behavior“.