Kategorie: Allgemein

Was ist eine Schlagwetterexplosion?

Manchmal schlägt man bei Wikipedia nach und findet die schrägsten Erklärungen. Zeilenhacker-Redakteurin Maren Tönisen zum Beispiel wollte nach einem Interview wissen, was eine Schlagwetterexplosion ist. Die Wikipedia half da aber nicht wirklich weiter …

Von Maren Tönisen

Als ich kürzlich nach dem Interview mit einem Bergmann das Wort „Schlagwetterexplosion“ bei Wikipedia nachschlagen wollte, stand dort folgende Erklärung:

Super, jetzt weiß ich endlich Bescheid: Explosion von schlagenden Wettern, da hätte ich aber auch selbst drauf kommen können!

Aber im Ernst: Etwas mit einem Begriff zu erklären, der nur ein Kompositum zerlegt, hilft selten weiter. Ich habe also mal nachrecherchiert und auf der Internetseite www.chemie-schule.de eine schon bessere Erklärung gefunden:

„Schlagwetter oder schlagende Wetter sind Begriffe aus der Bergmannssprache. Sie bezeichnen im Kohlebergbau, jedoch auch im Salz- und Erzbergbau, unter Tage austretendes Grubengas (Methangas), welches, mit Luft gemischt, explosiv reagiert (Schlagwetterexplosion). Als Wetter bezeichnet der Bergmann die Gesamtheit der in einem Bergwerk befindlichen Luft.“

Diese Erklärung ließe sich allerdings auch noch verbessern. Ich versuche es mal so:

Schlagwetterexplosionen sind Explosionen, die unter Tage durch austretendes Grubengas auftreten, wenn dieses mit Luft in Verbindung kommt.

Als Erklärung reicht das doch, oder?

Und für diejenigen, die sich jetzt auch noch für Details interessieren, liefere ich noch ein paar interessante Tatsachen nach:

Das Tückische an einer Schlagwetterexplosion ist übrigens, dass man sie im Vorfeld nicht bemerkt. Das Grubengas ist nämlich unsichtbar und geruchslos. Es ist aber zugleich sehr giftig. Schon ein kleiner Funke genügt, um die Luft-Gas-Mischung zu einer Explosion zu bringen. Deswegen fielen und fallen auch noch zahlreiche Kumpel Schlagwetterexplosionen zum Opfer.

Implizite Strukturierung: Wenn Symbole uns lenken …

In Online-Foren, Kommentarspalten oder auf Diskussionsseiten finden sich sowohl blödester Unfug als auch wertvolle Hinweise oder fundierte Kritik. Aber das Suchen nach wertvollen Kommentaren ist mühsam. Mit besonderen Zeichen kann diese Suche aber unterstützt werden. Wir haben einmal ein paar gute Beispiele herausgesucht.

Von Hannah Molderings

Das Prinzip, das sich Foren und Plattformen zunutze machen, nennt man in der Kognitionswissenschaft „Implizite Strukturierung“. Das bedeutet, dass solche Symbole uns in unserem Navigationsverhalten implizit lenken. Wir bekommen dabei keine klare Vorgabe, nach welchem Muster wir durch die Beiträge navigieren sollen, sondern werden ganz automatisch (idealerweise intuitiv) dabei unterstützt, relevante Informationen schnell zu finden. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass solche Hilfen die Beteiligung in Diskussionen erhöhen können. Drei Beispiele:

1. Emojis
Im Kommentar-Bereich von Facebook findet man die Strukturierungshilfen schon lange. Mit einem einfachen „Gefällt mir“ hat’s ja mal angefangen. Heute kann man Beiträge mit sechs verschiedenen Emotionen beantworten. Diese Bewertungen werden dem Leser später neben den Kommentaren visualisiert. So erkennt man ganz leicht, welcher Beitrag bei den Nutzern wie ankommt. Sucht man also mal nach der lustigsten Antwort, liest man einfach nur die Beiträge mit den meisten Lach-Smileys.

2. Hilfreiche Antworten
Das Joomla-Hilfe-Forum nutzt gleich mehrere Icons zur Unterstützung der Navigation. Beiträge, die als besonders hilfreich eingestuft wurden, sind mit der entsprechenden Anzahl an grünen Daumen gekennzeichnet. Außerdem sieht man auf einen Blick, ob eine Frage bereits geklärt wurde – markiert mit einem grünen Häkchen. Und wer nicht erst die ganze Diskussion durchlesen will, kann mit einem Klick auf die Glühbirne sofort zur hilfreichsten Antwort springen.

3. Nutzer-Bewertungen
Wie ein Beitrag bei anderen Lesern ankommt, lässt sich im Heise-Online-Forum auf den ersten Blick erkennen. Durch grüne und rote Balken werden hier nicht nur die positiven Rückmeldungen wiedergegeben, sondern man sieht auch auf einen Blick, wenn ein Beitrag gar nicht gut ankommt. Das Ganze wird auch quantitativ durch die Länge der farbigen Balken visualisiert. Wer also einmal das lesen will, was anderen so gar nicht gefällt, findet diese Beiträge dort auch ganz leicht.

So schalten Sie die autOMATISCHe Großschreibung in Word ab

Es nervt, wenn Word einen dauernd so korrigiert, dass man es wieder zurücknehmen muss! Am häufigsten passiert das, wenn Word hinter einem Punkt ein Satzende vermutet und den folgenden Buchstaben groß schreibt. Man kann das aber ganz leicht abstellen …

Wenn man einen Satz in Word schreibt, macht Word den ersten Buchstaben des Satzes automatisch groß, selbst wenn man ihn klein eingetippt hat. Zu verdanken ist das der Autokorrektur-Funktion. Die ist zwar oft sinnvoll, oft aber auch nervig. Zum Beispiel hier:

Heute sollen die Schüler
• Schwimmen,
• Laufen und
• Springen.

Typisch Word-Autokorrektur!

Wie schaltet man nun die automatische Großschreibung ab? Ganz einfach:

Zuerst geht man auf „Datei“ und wählt „Optionen“. In diesem Reiter klickt man auf „Dokumentprüfung“ und dort wiederum auf „Autokorrektur-Optionen“. Dort entfernt man dann das Häkchen vor „Jeden Satz mit einem Großbuchstaben beginnen.“ Und schwupps – Buchstaben werden fortan an Satzanfängen nicht mehr automatisch großgeschrieben. Nachteil: Jetzt muss man bei Satzanfängen selbst daran denken, auf die Umschalttaste zu drücken …

Wörter, die nur noch Oma kennt …

Was ist ein Bockschein? Was soll es bedeuten, wenn jemand „nicht geklebt“ hat? Der Feuilleton-Redakteur Matthias Heine hat in der WELT etliche Ausdrücke zusammengetragen, die angeblich nur die Generation 50plus kennt. Jüngere können gern widersprechen, Ältere gern Ausdrücke hinzufügen …

Link zum Bericht: https://www.welt.de/kultur/article179263134/Deutsche-Sprache-Nur-Westdeutsche-ueber-50-kennen-alle-diese-Woerter.html

Bürokratensprache lässt Kriege sauber aussehen

Wie sensibel stellen Journalisten in Deutschland Kriege dar? Die Dissertation unseres Kollegen Mathias Wolff widmet sich diesem Thema. Er kommt darin zu spannenden Ergebnissen und leitet Vorschläge für eine bessere Berichterstattung ab. Stefan Brunn hat ihn auf dem ganz kurzen Dienstweg dazu befragt.

Am Ende Deines Buches gibst Du ja Empfehlungen für die redaktionelle Praxis. Dabei forderst Du, die Gräuel des Krieges nicht menschenleer zu beschreiben, auch wenn das „Klarheitsschmerzen“ bedeute. Die Reporter sollen herumliegende Leichen und amputierte Gliedmaßen durchaus erwähnen, weil der Krieg vorstellbar werden muss.
Natürlich geht es mir nicht um eine blutrünstige Sprache, um eine extra reißerisch-voyeuristische Darstellung. Aber wenn „bei einem Luftschlag Panzer ausgeschaltet“ wurden, heißt das nicht, dass in die Luft geschlagen wurde. Sondern dass in diesen Panzern höchstwahrscheinlich Soldaten saßen, von denen jetzt nur noch ein Häufchen Asche übrig ist. Genauso, wenn „Stellungen angegriffen“ werden oder wenn „gegen Ziele vorgegangen“ wurde: Es wird nicht ansatzweise klar, was dort geschehen ist. Die Wortwahl der Kriegsberichterstattung ist furchtbar technisch-abstrakt. Im Grunde Militärsprache, Bürokratensprache. Krieg erscheint sauber und unblutig. Selbst wenn wir Fragen ethischer Verantwortung ganz außen vor lassen, also rein aus handwerklicher Sicht: Die Medien sollen das Geschehene so konkret und realitätsnah wie möglich abbilden. Das erwarten wir, das ist doch ein Grundanspruch, den wir alle als Leser, Zuschauer und so weiter haben – egal ob in der Sport-, Wirtschafts- oder Kriegsberichterstattung. Und für die Kriegsberichterstattung der deutschen Qualitätspresse muss ich leider sagen: Sie ist oft meilenweit davon entfernt.

Du gehst auch auf den Unterschied zwischen „sind gestorben“ und „Die Soldaten töteten“ ein. Passiv-Konstruktionen seien problematisch, weil sie den Täter verschwiegen. Aber unterläuft das Passiv den Autoren eher oder formulieren sie vorsätzlich im Passiv? Konntest Du das irgendwie ableiten?
Es ist sehr offensichtlich, dass viele Journalisten ihren Sprachgebrauch viel zu wenig reflektieren. Ich fürchte, dass vielen nicht ansatzweise klar ist, wie sehr Passivkonstruktionen die Wertung verändern können – und letztlich eine der Kriegsparteien begünstigen. Es gibt aber auch Indizien für einen möglichen Vorsatz. Zum Beispiel in der Welt, bei der Berichterstattung über den Afghanistankrieg und den israelisch-palästinensischen Konflikt: Für die Handlungen der USA und Israels werden deutlich mehr Passivformulierungen verwendet als für die Handlungen der Taliban beziehungsweise Palästinenser. Israel und die USA möglichst glimpflich davonkommen zu lassen, ihre Handlungen durch Passivformulierungen sozusagen weichzuspülen – das deckt sich schon sehr mit den redaktionellen Leitlinien des Axel-Springer-Konzerns.

Manche Begriffe sind im Krieg ja umstritten, weil sie schon eine Tendenz beinhalten. Wie sollten Journalisten damit umgehen? Reichen Anführungszeichen um einen „Islamischen Staat“? Du redest von „Distanzierungssignalen“ …
Wichtig ist, dass der Autor überhaupt ein solches Signal aussendet, wenn Begriffe der Kriegsparteien verwendet werden. Oft werden Anführungszeichen reichen müssen, allein schon aus Gründen der Praktikabilität. Aber natürlich ist es noch transparenter und konkreter, wenn ich zum Beispiel schreibe: „der selbst ernannte Islamische Staat“. Oder wenn ich nicht bloß „smarte“ Munition schreibe, sondern zusätzlich die Quelle benenne: „Die Bundeswehr spricht hier von smarter Munition …“ Entscheidend ist aber, sich klar zu machen, dass wir nicht nur über so offensichtliche Kandidaten wie die viel zitierte Präzisionsbombe reden. Auch Begriffe wie Friedensmission, humanitäre Intervention oder Stabilisierungseinsatz müssten wenigstens in Anführungszeichen stehen. Sie beinhalten klare Wertungen, um nicht zu sagen Weltbilder.

Du forderst auch, dass man formal ausgewogener berichtet, also die Argumente beider Kriegsparteien zu gleichen Teilen zitiert. Ist das so eine Art Quotenvorschlag? In der Syrien-Frage kriegen die Russen 30, Assad 30 und die EU jeweils 30 Zeilen?
Das mit der Ausgewogenheit ist bewusst provokant formuliert. Nein, ich meine es nicht als Quote und auch nicht im streng mathematischen Sinne. In der redaktionellen Praxis würde das oft unsinnig sein. Schließlich gibt es über die eine Seite manchmal mehr zu berichten als über die andere. Aber wir haben es mit einem massiven Ungleichgewicht zu tun: Ich habe den Afghanistankrieg, den Libyen-Krieg 2011 und den israelisch-palästinensischen Konflikt untersucht. Ergebnis: Die „westlichen“ Kriegsparteien – USA/Bundeswehr/Nato/Israel etc. – kommen viermal so oft zu Wort; auf sie entfallen 80 Prozent aller Zitate. Der Glaubwürdigkeit der Medien würde es gut tun, wenn sie die „fremdere“ Seite nicht so systematisch ausblenden würde. Jetzt kann man sagen: Soll Assad für seine Sicht der Dinge wirklich so viel mehr Raum bekommen – oder sogar die Taliban oder der „IS“? Ich finde: ja. Die Redaktionen würden das Publikum jedenfalls viel ernster nehmen, wenn sie ihm mehrere Perspektiven präsentieren würden, um sich eine eigene Meinung bilden zu können.

Würden sich die Medien damit nicht zu Sprachrohren für die Propaganda von Terroristen machen?
Ich glaube, dass der gegenteilige Effekt der Fall wäre: Je öfter Taliban- und „IS“-Sprecher zu Wort kommen, desto schneller entlarven sie sich und ihre unhaltbaren Positionen. So viel Vernunft traue ich den Lesern noch zu, dass sie ihren Partner nicht sofort steinigen, wenn sie ihn bei einem Seitensprung erwischen, nur weil das eine Position im Meinungsangebot der Tageszeitung war.

Ein weiterer Vorschlag, den Du machst, lautet, verkürzt gesagt: Schreibt mehr Meta-Kommentierungen! Was ist damit gemeint?
Redaktionen sollten ihre Quellen und Recherche-Entscheidungen viel deutlicher offenlegen. Es sollte zum Standard werden, dass neben vielen Artikeln ein kleiner Kasten steht, in dem die Redaktion ihr eigenes Vorgehen kommentiert: Warum wurden diese beiden Quellen verwendet, warum eine dritte bewusst weggelassen? War der Korrespondent wirklich am Schauplatz in Syrien oder 700 Kilometer entfernt in seinem Büro in Kairo? Das erfordert sicher Mut, sich so in die Karten schauen zu lassen. Aber ich glaube, dass diese Form von Transparenz ein entscheidender Schlüssel sein kann, wenn die etablierten Medien Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen.

Letzter Punkt: Du sprichst Dich für ein Nachrichten-Gütesiegel aus. Aber wer soll das vergeben? Schwebt Dir eine Prüfstelle für wahrheitsverzerrende Schriften vor?
Dieses Gütesiegel ist erstmal nicht mehr als ein Stichwort, ein Impuls für die mediale Qualitätsdebatte. Gütesiegel gibt es für unzählige Produktgruppen – warum nicht auch für journalistische Produkte? Es würde ja erstmal reichen, gewisse Mindeststandards zu checken und damit für Fake News zu sensibilisieren: Wurden beide Seiten gehört? Werden bloße Behauptungen transportiert oder gibt es überprüfbare Quellen? Eine staatliche Institution erscheint mir problematisch – das wäre Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker und Lügenpresse-Rufer. Am besten wäre es natürlich, wenn es einem kritisch-mündigen Publikum wert wäre, diese „Prüfstelle“ zu finanzieren, und wenn alle Medien mit Qualitätsanspruch sich freiwillig beteiligten. Wobei mir klar ist, dass das jetzt eine ziemlich optimistische Aussage war.

Mathias Alexander Wolff: Kriegsberichterstattung und Konfliktsensitivität. Qualitätsjournalismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wiesbaden: Springer VS, 2018. 340 Seiten; 39,99 Euro. ISBN 978-3-658-22089-1.

https://www.springer.com/de/book/9783658220884#otherversion=9783658220891

Alle reden vom Cornering, aber was ist das eigentlich

Manche Begriffe klingen so umgangssprachlich, dass Wissenschaftler sie lieber vermeiden. Das „Schwänzen“ in der Schule ist so ein Beispiel. Soziologen ordnen es lieber als ein extremes Beispiel der „Schuldistanzierung“ ein. Als kürzlich in der Presse das Wort „Cornering“ auftauchte, haben wir uns gefragt: Ist damit Eckenstehen gemeint?

Die einen definieren das „Cornering“ (Verb = „Cornern“) als „Treffen, um mit anderen abzuhängen“. Andere übersetzen es als „Herumlungern“ oder „Trinkgelage im öffentlichen Raum“ oder „an einer Ecke rumstehen und trinken“. Der Begriff ist angelehnt an das englische Wort „corner“ für „Ecke“. Das Phänomen selbst soll von Breakdancern und Hip-Hoppern aus der New Yorker Bronx geprägt worden sein.

Wer mit dem „Trend“-Tool von Google überprüft, wie häufig das Wort im Internet verwendet wird, findet einen seltenen, aber regelmäßigen Gebrauch. Allerdings ragt in der Verwendungsstatistik ein Zeitraum heraus wie der Eiffelturm aus dem Pariser Stadtbild: eine Woche Anfang Juli 2017. Geografisch grenzt „Google Trends“ das Wort außerdem ganz klar in Hamburg und Umgebung ein. Und wer jetzt eins und eins zusammenzählt, sieht schnell: Genau da war der G20-Gipfel in Hamburg.

Bei dem Phänomen „Cornern“ geht es offenbar nicht nur darum, dass Jugendliche und Erwachsene sich treffen, zum Beispiel vor einem Kiosk, und dort miteinander ins Gespräch kommen. Es geht vielmehr darum, dass mit der Anzahl der Leute der Alkohol- und der Lärmpegel steigen – und die Anwohner sich dadurch gestört fühlen. Außerdem kommt es offenbar regelmäßig zu Gewalt, wenn cornernde Leute aufeinandertreffen. Als „Vorstufe zur Verwahrlosung auf öffentlichen Plätzen und Straßen“ stufen Kriminalitätsexperten deshalb das „Cornering“ ein.

Mehrere deutsche Städte haben versucht, mit dieser Beschreibung des Phänomens ein Alkoholverbot in den Innenstädten durchzusetzen. In München und Nürnberg beispielweise gibt es Trinkverbote rund um den Hauptbahnhof. Auch die Düsseldorfer wollen ihre Altstadt zur alkoholfreien Zone erklären – außerhalb der Kneipen und Restaurants, versteht sich. Gescheitert ist mit diesem Vormarsch kürzlich die Stadt Duisburg. Sie wollte ein Alkohol-Verbot im City-Bereich verhängen, bekam aber vom Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Dämpfer: Ein Verbot sei unverhältnismäßig. Auch Frankfurt wird seine Freiluft-Trinker vorerst nicht vertreiben können: Das Alkoholverbot für die Innenstadt scheiterte am Stadtrat.

Die Diskussion um öffentliches Ecken-Stehen ist also aktuell, brisant und weit verbreitet. Doch schafft es ein Wort für ein Phänomen in den Duden, das auch die Medien – zumindest mit einem Nebensatz – erst noch erklären müssen? Im Duden jedenfalls findet sich zurzeit lediglich das Wort „Corner“. Man gebraucht es in Österreich und in der Schweiz für einen Eckball. Außerdem bezeichnet „Corner“ im Börsenwesen einen „planmäßig herbeigeführten Kursanstieg“. Dass das Wort „cornern“ bald auch im Duden zu finden ist, könnte aber gut sein – schließlich haben es in die 2017 erschienene 27. Auflage des Dudens auch schon englische Wörter wie „Fake News“, „Selfie“ oder „facebooken“ geschafft.

„In den Rechtschreibduden werden Wörter aufgenommen, wenn sie gebräuchlich sind. Das heißt: Sie müssen in unserer elektronischen Textsammlung, die mehr als vier Milliarden Wortformen umfasst, häufig vorkommen“, erklärte Dr. Kathrin Kunzel-Razum, Leiterin der Dudenredaktion, einmal in einem Duden-Newsletter. Dort sagte sie auch, dass Wörter, die es in den Duden schaffen, in Zeitungen und Büchern auftauchen müssen und keine Eintagsfliegen sein dürfen.

Das alles ist beim „Cornern“ gegeben. Um die These zu überprüfen, muss man allerdings noch drei bis fünf Jahre warten. Denn erst dann erscheint die Neuauflage des Dudens. Eine Frage stellt sich allerdings schon jetzt: Wie heißt wohl jemand, der cornert? „Cornerer“? „Corner“? Oder „Cornernder“?

Ein Sprach-Schatz, der immer noch nicht gehoben wurde

Es war das größte deutsche Wörterbuch des 18. Jahrhunderts. Veröffentlicht wurde es allerdings nie. Stattdessen schlummerte es in der Universitätsbibliothek Basel vor sich hin. Jetzt arbeitet der Sprachwissenschaftler Heinrich Löffler das Glossarium auf. Im Interview verrät er, warum.

250 Jahre lang lagen die Handschriften und Zettel ungeachtet im Keller der Universitätsbibliothek Basel. Erst jetzt arbeiten Linguisten die spannende Sammlung für die Nachwelt auf.

1740 hatte der Basler Professor Johann Jakob Spreng begonnen, ein handschriftliches Wörterbuch zu verfassen, sein „Allgemeines deutsches Glossar“. 20 Bände sind es bis zu seinem Tod geworden – übrigens vor genau 250 Jahren, mit fast 100.000 Einträgen. Gedruckt wurde es jedoch nie, weil sich nicht genug Käufer fanden.

Dabei wäre es das mit Abstand größte deutsche Wörterbuch des 18. Jahrhunderts gewesen. Erst das „Deutsche Wörterbuch“ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm übertraf Sprengs Glossar – das war aber erst gut 100 Jahre später, nämlich 1838.

Basler Forscher wollen das größte deutsche Wörterbuch des 18. Jahrhunderts, das „Deutsche Glossar“, nun erstmals zugänglich machen. Bild: Florian Moritz/Universität Basel

Ausgegraben hat die Dokumente der emeritierte Sprachwissenschaftler Professor Heinrich Löffler. Er kümmert sich seit drei Jahren um die Aufbereitung und erklärt im Interview, warum das Glossarium ein großer Schatz für die deutsche Sprachwelt ist.

Herr Professor Löffler, was erhoffen Sie sich davon, das Glossarium aufzubereiten?
Mit seinen knapp hunderttausend Stichwörtern wäre das Glossarium damals das mit Abstand größte deutsche Wörterbuch gewesen – wenn es denn gedruckt worden wäre. Heute ist es für den Kenner ein „historisches Dokument“, das das Sprachwissen und auch Weltwissen der Zeit um 1750 widerspiegelt: Das ist 30 Jahre vor der französischen Revolution.

Die Lexikographen (also die Wörterbuchschreiber) und die Lexikologen (die Wörterbuchforscher) bekommen einen einmaligen Einblick in die Arbeitsweise eines damaligen Wörterbuchmachers: In den 20 gebundenen Bänden sind zirka 60.000 Zettel eingeklebt – auf Lücke, damit man jederzeit nachträglich neue Zettel dazukleben konnte.

In einer Schachtel befanden sich noch zirka 30.000 lose Zettel – allerdings schön sortiert und in kleine Tütchen abgefüllt. Die mussten auch alle erst einmal geschrieben werden. Man kann dem lieben Spreng praktisch zuschauen, wie er mit Federkiel erst aus Büchern alles auf eine Liste abgeschrieben hat, dann diese Notizen auf lange Papierstreifen übertragen und diese wohl mit einer Schere zu schmalen Zetteln geschnitten hat. Die Zettel sind alle 8 Zentimeter breit – haben aber eine Länge von 2 Zentimeter bis fast einen Meter.

Was gefällt Ihnen persönlich am Glossarium?
Sprengs Glossar ist weniger ein Buch zum Nachschlagen, sondern eher eines zum Lesen. Es wimmelt von Geschichtchen und Beschreibungen, Maschinen, Geräten, Koch- und Backrezepten …

So beschreibt er eine veraltete Tötungsmaschine, die aber genau der Guillotine entspricht, die bei der Französischen Revolution dann 35 Jahre später als neue Erfindung eingesetzt wurde.

Schön zu lesen sind auch Redensarten oder lustige Ausdrücke: schwäbische Galeen, [Galeere] wird scherzweise der Esel genennet, weil er ein vornemes Fahrzeug in Schwaben ist.

Können Sie ein konkretes Beispiel geben, wie und bei welchen Wörtern man heute von dem Glossarium profitieren kann?
Spreng hat viele Wörter mit einem Stern (*) versehen: Von diesen hoffte oder wünschte er, dass sie in der neuen deutschen Schriftsprache gepflegt werden sollten. Es ist auch für heutige Benutzer leicht festzustellen, welche Wörter es geschafft haben und welche nicht … Das heißt, welche unserer heutigen Wörter schon sehr alt sind – oder vor 250 Jahren noch sehr jung.

Was ist so ein Sternchen-Wort?
Das sind Wörter, die damals noch wenig eingeführt und deshalb zur Nachahmung empfohlen wurden – oder die schon alt waren, und aus diesem Grund zur Beibehaltung empfohlen wurden. Heute nutzen wir zum Beispiel noch die Wörter „hissen“, „Hagelschlag“ oder „Hochgebirge“. Oder auch „zubilligen“ oder „zuerkennen“, die Worte waren damals ganz neu. Das Wort „Swip“ zum Beispiel hat es nicht geschafft, in den Sprachgebrauch übernommen zu werden, auch wenn Spreng sehr dafür plädierte. Es gibt keinen äquivalenten deutschen Begriff dafür, man ist noch immer auf das lateinische „Genius“ angewiesen, um es zu übersetzen.

Was kann man sonst noch aus dem Glossarium lernen?
Man lernt, dass das 18. Jahrhundert ein modernes Jahrhundert war. Die Bergbauindustrie war fortgeschritten, ebenso die Verhüttungsindustrie. Carl von Linné hatte alle Pflanzen und Tiere sortiert und beschrieben. Die Medizin hatte die menschliche Anatomie bis ins Einzelne zerlegt und mit Namen versehen. Das alles hat Spreng im Wörterbuch berücksichtigt.

Manche heutigen Wörter macht er mit seinen Beispielen „durchsichtig“: Wer denkt daran, dass eine „Kapriole“ eigentlich ein „Ziegensprung“ ist (lat/ital. cpra: die Ziege)?

Wer könnte eine mögliche Zielgruppe des Glossars sein?
Spreng nennt in der Einladung zur Bestellung des Wörterbuches seine Zielgruppe „nicht nur Sprachforscher, sondern überhaupt auch allerlei Gelehrte, Standespersonen, Kanzleibeamte, und Libehaber schöner Wissenschaften.“ Das würde auch heute noch gelten. Also kein „Schülerduden“. Aber für alle, die sich für Sprache interessieren.

Wo und in welcher Form wird es zugänglich gemacht, sobald die Arbeiten abgeschlossen sind?
In Kürze wird ein „Musterband“ mit dem Buchstaben „H“ zusammen mit den digitalisierten handgeschriebenen Vorlagen ins Internet gestellt unter https://www.e-manuscripta.ch; Stichwort „Spreng“.

Die bisher transkribierten 17 Bände werden Zug um Zug internetfähig gemacht – und nach und nach dort eingestellt. Wenn in zirka zwei bis drei Jahren alle Bände abgeschrieben sein werden, soll es auch noch eine Papierversion geben: zirka 5 Bände von zusammen zirka 4.500 Druckseiten.

Negern? Flachmann? So inkorrekt war der Setzerjargon!

Wenn Journalisten früher miteinander geredet haben, tauchten viele Begriffe auf, die heute politisch höchst inkorrekt wären. „Hurenkinder“, „Negern“ oder „Abschießen“ sind nur drei Beispiele. Wir haben ein kleines Glossarium inkorrekten Journalistenjargons begonnen.

Sind sich Journalisten eigentlich bewusster als andere über ihren Sprachgebrauch? Vor allem der Setzerjargon, der aus den Siebzigern und Achtzigern überlebt hat, lässt daran zweifeln. Wir haben eine alte Auflage des Klassikers „Deutsch für Profis“ von Wolf Schneider herausgekramt und im „Journalistikon“ nachgeschlagen, einem Internet-Wörterbuch der Journalistik. Bitte ergänzen Sie unser Glossarium durch Vorschläge im Kommentarfeld!

Abschießen
Menschen ohne deren Erlaubnis fotografieren.


Einen Türken bauen
Durch gestellte Szenen oder raffinierte Schnitte den Betrachter beeindrucken.


Durchschuss
Abstand zwischen zwei Zeilen.


Flachmann
Ein flacher, mehrspaltiger Artikel, meist in einem Kasten.


Galgen
Große Anzeige am oberen linken oder rechten Seitenrand, die wenig Platz für die Redaktion lässt.


Grabsteine
Mehrere Meldungen gleicher Länge genau nebeneinander.


Hängen
Eine Redaktion hängt ausgedruckte Seiten an eine Wand, damit sich die Redakteure ein zusammenhängendes Bild der Ausgabe machen können.


Hurenkind
Unschönes Satzbild: Die letzte Zeile eines Absatzes läuft nicht in der gleichen Spalte aus, sondern in der ersten Zeile der nächsten Spalte.


Jungfrau
Wenn Journalisten beim Setzen einer Seite oder eines Artikels keinen einzigen Fehler gemacht haben, haben sie eine „Jungfrau“ gebaut.


Leiche
Wenn im Zeitungsartikel Wörter oder gleich ganze Sätze fehlen, spricht man von einer Leiche.

Beispiel aus einer Lokalzeitung:

Hier sollte natürlich nicht ‚S‘ sondern wahrscheinlich eher ‚Sitzung‘ stehen.


Negern
Wenn einer zum anderen sagt: „Diese geile Rede habe ich dem Bürgermeister genegert!“, heißt das: Er hat dem Bürgermeister die Rede geschrieben.

Ganz großes Kino! Aber viele Flecken auf den Sitzen …

Was hält man von einem Bestseller, den der „New Yorker“ überschwänglich lobt, den viele großartig oder gar brillant finden, dessen Übersetzung aber vor Rechtschreibfehlern strotzt? Herausgeber ist ausgerechnet die Organisation „Correctiv“.

Von Stefan Brunn

Das Buch ist toll. Brooke Gladstone und Josh Neufeld haben eine großartige Arbeit geleistet mit ihrem 200-Seiten-Comic „Der Beeinflussungsapparat – wie Massenmedien funktionieren, wie sie unsere Gesellschaft manipulieren und wie wir dazu beitragen“. Nicht umsonst stand das Buch auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde von vielen renommierten Medien empfohlen. Deren Loblieder kann man sowohl auf der Rückseite als auch auf der ersten Seite der deutschen Ausgabe nachlesen. Aber da fängt das Problem schon an. „Oft brilliant und immer einen frischen Gedanken provozierend“ heißt es dort, aber im Deutschen schreibt man „brillant“ eben ohne zweites i. Leider geht es so weiter:

• Inzestös statt inzestuös
• Lizensieren statt lizenzieren
• Hochgekrämpelt statt hochgekrempelt
• Vorrüberwallen statt vorüberwallen
• Weisses Haus statt Weißes Haus
• Lies statt ließ

In der deutschen Übersetzung, erledigt von David Schraven, wimmelt es vor solchen und anderen Rechtschreibfehlern. Flüchtigkeitsfehler findet man am laufenden Band (Furchsam statt furchtsam; Obejktivität statt Objektivität; Spähre statt Sphäre). Entscheidende Wörter wie „Journalismus“ oder „Beeinflussungsapparat“ werden gleich mehrfach falsch geschrieben, Namen werden entstellt („Grobatschow“), Kommaregeln ignoriert, Bindestriche falsch und unsystematisch gesetzt. Dazu kommen falsche Groß- und Kleinschreibung sowie Deppenleerzeichen und Deppenapostrophe.

Natürlich: Die Fehler schaden dem Buch inhaltlich nicht. Es bleibt ein tolles Buch, das auch wir jedem herzlich empfehlen können, der sich für Mediengeschichte und -zukunft interessiert. Aber dass ausgerechnet eine Organisation namens „Correctiv“ so nachlässig bei der Übersetzung arbeitet, ist schade. Denn „Correctiv“ hat schon so manche großartige journalistische Leistung vollbracht. Und auch dieses Buch herauszubringen ist super: Diese Mischung aus Inhalt (kritisches Sachbuch) und Form (ästhetischer Comic) gibt’s allzu selten in Deutschland.

Brooke Gladstone, die Autorin, spricht ganz zu Beginn des Buches davon, wie wichtig ihr sorgfältiges Arbeiten ist – bezogen darauf, keinen zitierten Satz aus dem Zusammenhang zu reißen. Diese Sorgfalt hätte auch die Übersetzung verdient. Aber lassen wir sie abschließend selbst mit einem Panel von Seite 52 urteilen (siehe Bild).

Wie geht wertschätzen eigentlich korrekt?

In Politik und Wirtschaft und auch sonst wird immer mehr wertgeschätzt. Oder heißt es gewertschätzt? Im Duden steht jedenfalls nur eine der beiden Formen.

Von Stefan Brunn

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wurde kürzlich vom Focus zitiert mit den Worten: „Ich fühle mich von der Gesellschaft gewertschätzt.“ Überhaupt breitet sich in Politik und Wirtschaft das Wort „Wertschätzung“ in seinen diversen Formen derzeit sehr aus, obwohl es im Duden als „veraltend“ steht. Ob und warum das so ist, darüber könnte man lang diskutieren. Aber ist es überhaupt grammatikalisch korrekt, wenn der Tagesspiegel über einen Fußballer schreibt, er fühle sich bei seinem Verein nicht mehr gewertschätzt? Oder wenn Trendforscher Mathias Horx in einem Interview mit der Welt sagt: „Wir wollen angenommen und gewertschätzt werden.“

Konjugationstabellen im Internet geben da widersprüchliche Auskünfte. Im „Wordmirror“ etwa steht als Partizip Perfekt eindeutig „gewertschätzt“. Im „Woxikon“ dagegen lautet die gleiche Form, auch Partizip 2 genannt, „wertgeschätzt“. Im Duden steht ebenfalls nur „wertgeschätzt“. Wer also ganz sicher richtig schreiben möchte, verwendet nur „wertgeschätzt“.

Übrigens klingt das Verb umso komischer, je weiter man seine Teile auseinanderstellt: „Ich schätze alle ehrenamtlichen Kirchenhelferinnen und Kirchenhelfer wert.“ Der Duden erlaubt aber auch die Alternative: „Ich wertschätze alle ehrenamtlichen Kirchenhelferinnen und Kirchenhelfer.“ Hier ist der Satzbau besser. Dafür jedoch wirkt die Ausdrucksweise ganz schön künstlich beziehungsweise aufgesetzt … Echte Wertschätzung sieht anders aus!