Schreiben wie im Marketing: das Muster hinterm Teaser

Das Geheimnis des schnellen Schreibens liegt in klar definierten Textmustern. Deshalb geben Verlage ihren Autoren bewährte Muster vor. Wir zeigen Ihnen anhand von Beispielen das häufigste Muster, das zum Beispiel auch der Spiegel nutzt.

Von Stefan Brunn

Erstens: Schnell schreiben kann nur, wer über die Struktur seines Textes nicht lang nachdenken muss.

Zweitens: Erfolgreich werden Texte nur, wenn Sie eine Struktur besitzen, die sich in der Evolution der Texte (also bei Leserinnen und Lesern) durchgesetzt hat.

Unterm Strich
können Verlage also am Informationsmarkt dann erfolgreich sein, wenn sie eine erfolgreiche Textstruktur identifizieren und alle Autoren danach schreiben. Und genau dieses Ziel verfolgen die Verlage auch.

Im Hintergrund dieser Überlegungen stehen kognitionspsychologische Theorien, die sich das Marketing schon lange zunutze macht. Zwei sind besonders erwähnenswert:

Information Scent
Diese Theorie beruht auf einer Metapher: Raubtiere optimieren bei der Jagd das Kosten-/Nutzen-Verhältnis zwischen aufgewendeter und verbrauchter Energie. Übertragen heißt das zum Beispiel, dass NachrichtenkonsumentInnen immer genau gucken, wie viel Zeit und Mühe sie aufwenden müssen, um möglichst viel Wissen/Nutzen/Unterhaltung als Beute zu erhalten. Es kann also durchaus sein, dass sie nicht den großen Kaninchen nachjagen, obwohl diese nahrhafter sind: Sie sind eben auch schwerer zu erlegen. Die Informationsfährten-Theorie von Peter Pirolli und Stuart Card beinhaltet auch, dass die Fährte mit jedem Schritt für den Nutzer stärker werden muss, sonst bricht er die Jagd ab.

Conversion Trinity
Eine Art heiliger Dreifaltigkeit, auf den Punkt gebracht von Marketing-Guru Bryan Eisenberg: 1. Das Problem muss relevant für mich sein (Relevance). 2. Die Lösung muss mich überzeugen (Value). 3. Wie komme ich jetzt leicht an die Lösung (Call-to-Action)?

Einen sehr ähnlichen Dreischritt geben etwa auch die „Textstandards“ von Spiegel online vor. Hier heißen sie allerdings „Reiz-These-Rampe“:

1. Reiz: Man macht den Leser heiß, indem man ein relevantes Thema mit Reizwörtern attraktiv darstellt.
2. Kernthese: Dem Leser wird eine Nachricht präsentiert, die einen oder mehrere sogenannte Nachrichtenfaktoren enthält: Neuheit, Bedeutung, Nähe, Nutzwert, Konflikt, Kuriosität, Prominenz, Humor, Erotik …
3. Rampe: Man macht Lust auf mehr, verspricht beim Weiterklicken die tollsten Sachen und lässt es so aussehen, als wäre man an der fetten Beute schon ganz nah dran …

Genau nach diesem Schema sind auch die Teaser bei Spiegel online und vielen, vielen anderen Online-Medien geschrieben. Überprüfen Sie die Struktur an folgenden Echtbeispielen aus Spiegel online:

„Geschäftsmäßige Suizidhilfe ist in Deutschland verboten. Ein Arzt hält das Gesetz für schlecht gemacht – und will es vor dem Bundesverfassungsgericht kippen. Hier erklärt er, warum.“

„Im australischen Queensland ist auf der Windschutzscheibe eines Autos plötzlich eine Schlange aufgetaucht. Das Reptil erwies sich als außerordentlich anhänglich – zum Entsetzen der Insassen. Das Video.“

„In wenigen Wochen will Samsung das erste faltbare Smartphone auf den Markt bringen – nach zehnjähriger Entwicklungszeit. Wir konnten es ausprobieren. Eine Frage bleibt ungeklärt.“

So klar und erfolgreich dieses Muster auch ist – manchmal übertreiben es Leute auch, die den Teasern von Spiegel & Co. nacheifern:

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