Im Koalitionsvertrag taucht erstmals das Wort SLAPP auf – dieses Akronym steht für eine wirklich hässliche juristische Strategie. Wir verraten in aller Kürze, um was es dabei geht und nennen drei Beispiele von Opfern.
Von Stefan Brunn
Auf Seite 124 des Koalitionsvertrags hat sich die deutsche Ampel-Regierung festgelegt:
„Wir werden europaweit Maßnahmen gegen Einschränkungen der Freiheitsrechte wie z. B. durch missbräuchliche Klagen (Strategic Lawsuits against Public Participation, SLAPP) unterstützen.“
Aber was heißt das, worum geht’s eigentlich?
Man könnte SLAPP ganz gut mit „Einschüchterungsklage“ übersetzen. Aber weil es inzwischen so viele davon gibt, hat sich hier schon eine internationale Fachbezeichnung etabliert. Es geht um oft völlig aussichtslose Klagen, die aber einen hohen Streitwert haben und deshalb das Potenzial, kleine Akteure einzuschüchtern.
Diese kleinen Akteure sind meist Journalist:innen oder Aktivist:innen, denen bei fünf-, sechs- oder siebenstelligen Beträgen, mit denen sie bedroht werden, mulmig wird. Manchmal gelingt es mithilfe dieser Klagen, die Kritiker mundtot zu machen. Manchmal auch nicht. Meist jedenfalls sind die Summen völlig unverhältnismäßig und die Absicht dahinter leicht ersichtlich.
Natürlich muss es jederzeit möglich sein, legitime Ansprüche gegen Kritiker durchzusetzen. Und es ist sicherlich nicht einfach, berechtigte von unberechtigten Ansprüchen zu unterscheiden. Der Punkt ist aber: Der Charme dieser Klagen liegt darin, dass sie schon wirken, ohne dass etwas bewiesen werden muss – der Kläger also kaum ein Risiko hat, der Beklagte aber ein zum Teil existenzgefährdendes. Und deshalb ist es sehr sinnvoll, dass die Bundesregierung dieser Asymmetrie einen Riegel vorschiebt.
Damit man das Problem besser versteht, folgen hier drei Fälle von Betroffenen, über die sich SLAPP-Gegner empören:
Der Umweltaktivist
Nach einer Plakataktion gegen den Pestizideinsatz in den Apfelplantagen Südtirols war der Umweltaktivist Karl Bär vom Umweltinstitut München von Schadensersatzzahlungen in Millionenhöhe bedroht. Er war von mehr als 1.370 Landwirten wegen übler Nachrede und Markenfälschung angezeigt worden.
Der Karikaturist
Der Zeichner Renato Aroeira hatte es gewagt, den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro mit Farbtopf und Pinsel in der Hand zu zeigen – nachdem dieser das Rote Kreuz in ein Hakenkreuz verwandelt hatte. Das Justizministerium leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeichner wegen Verleumdung des Präsidenten ein. Für Aroeira hätte dies eine mehrjährige Haftstrafe bedeuten können.
Die Investigativjournalistin
Das bekannteste SLAPP-Opfer lebt nicht mehr: Als die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia 2017 durch eine Autobombe ermordet wurde, waren ihre Bankkonten eingefroren und eine Schadensersatzforderung wegen Rufschädigung über 40 Millionen Dollar stand im Raum. Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung war sie mit 47 verschiedenen zivil- und strafrechtlichen Verleumdungsklagen konfrontiert, die in verschiedenen Gerichtsbarkeiten weltweit eingereicht wurden.