Alle reden vom Cornering, aber was ist das eigentlich

Manche Begriffe klingen so umgangssprachlich, dass Wissenschaftler sie lieber vermeiden. Das „Schwänzen“ in der Schule ist so ein Beispiel. Soziologen ordnen es lieber als ein extremes Beispiel der „Schuldistanzierung“ ein. Als kürzlich in der Presse das Wort „Cornering“ auftauchte, haben wir uns gefragt: Ist damit Eckenstehen gemeint?

Die einen definieren das „Cornering“ (Verb = „Cornern“) als „Treffen, um mit anderen abzuhängen“. Andere übersetzen es als „Herumlungern“ oder „Trinkgelage im öffentlichen Raum“ oder „an einer Ecke rumstehen und trinken“. Der Begriff ist angelehnt an das englische Wort „corner“ für „Ecke“. Das Phänomen selbst soll von Breakdancern und Hip-Hoppern aus der New Yorker Bronx geprägt worden sein.

Wer mit dem „Trend“-Tool von Google überprüft, wie häufig das Wort im Internet verwendet wird, findet einen seltenen, aber regelmäßigen Gebrauch. Allerdings ragt in der Verwendungsstatistik ein Zeitraum heraus wie der Eiffelturm aus dem Pariser Stadtbild: eine Woche Anfang Juli 2017. Geografisch grenzt „Google Trends“ das Wort außerdem ganz klar in Hamburg und Umgebung ein. Und wer jetzt eins und eins zusammenzählt, sieht schnell: Genau da war der G20-Gipfel in Hamburg.

Bei dem Phänomen „Cornern“ geht es offenbar nicht nur darum, dass Jugendliche und Erwachsene sich treffen, zum Beispiel vor einem Kiosk, und dort miteinander ins Gespräch kommen. Es geht vielmehr darum, dass mit der Anzahl der Leute der Alkohol- und der Lärmpegel steigen – und die Anwohner sich dadurch gestört fühlen. Außerdem kommt es offenbar regelmäßig zu Gewalt, wenn cornernde Leute aufeinandertreffen. Als „Vorstufe zur Verwahrlosung auf öffentlichen Plätzen und Straßen“ stufen Kriminalitätsexperten deshalb das „Cornering“ ein.

Mehrere deutsche Städte haben versucht, mit dieser Beschreibung des Phänomens ein Alkoholverbot in den Innenstädten durchzusetzen. In München und Nürnberg beispielweise gibt es Trinkverbote rund um den Hauptbahnhof. Auch die Düsseldorfer wollen ihre Altstadt zur alkoholfreien Zone erklären – außerhalb der Kneipen und Restaurants, versteht sich. Gescheitert ist mit diesem Vormarsch kürzlich die Stadt Duisburg. Sie wollte ein Alkohol-Verbot im City-Bereich verhängen, bekam aber vom Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Dämpfer: Ein Verbot sei unverhältnismäßig. Auch Frankfurt wird seine Freiluft-Trinker vorerst nicht vertreiben können: Das Alkoholverbot für die Innenstadt scheiterte am Stadtrat.

Die Diskussion um öffentliches Ecken-Stehen ist also aktuell, brisant und weit verbreitet. Doch schafft es ein Wort für ein Phänomen in den Duden, das auch die Medien – zumindest mit einem Nebensatz – erst noch erklären müssen? Im Duden jedenfalls findet sich zurzeit lediglich das Wort „Corner“. Man gebraucht es in Österreich und in der Schweiz für einen Eckball. Außerdem bezeichnet „Corner“ im Börsenwesen einen „planmäßig herbeigeführten Kursanstieg“. Dass das Wort „cornern“ bald auch im Duden zu finden ist, könnte aber gut sein – schließlich haben es in die 2017 erschienene 27. Auflage des Dudens auch schon englische Wörter wie „Fake News“, „Selfie“ oder „facebooken“ geschafft.

„In den Rechtschreibduden werden Wörter aufgenommen, wenn sie gebräuchlich sind. Das heißt: Sie müssen in unserer elektronischen Textsammlung, die mehr als vier Milliarden Wortformen umfasst, häufig vorkommen“, erklärte Dr. Kathrin Kunzel-Razum, Leiterin der Dudenredaktion, einmal in einem Duden-Newsletter. Dort sagte sie auch, dass Wörter, die es in den Duden schaffen, in Zeitungen und Büchern auftauchen müssen und keine Eintagsfliegen sein dürfen.

Das alles ist beim „Cornern“ gegeben. Um die These zu überprüfen, muss man allerdings noch drei bis fünf Jahre warten. Denn erst dann erscheint die Neuauflage des Dudens. Eine Frage stellt sich allerdings schon jetzt: Wie heißt wohl jemand, der cornert? „Cornerer“? „Corner“? Oder „Cornernder“?