Unser Arbeitsgedächtnis hat beim Textverstehen nur sehr begrenzte Kapazitäten: 16 Wörter pro Satz gelten als Obergrenze. Wir erklären, woher diese Zahl stammt und inwiefern Satzzeichen wie Kommata oder Doppelpunkte das Textverstehen beeinflussen.
Von Stefan Brunn
Texten kann man dann am besten folgen, wenn ihre Gedanken einer nach dem anderen leicht konsumiert werden können. „Fluid information“ heißt es in der Psychologie, wenn man den Infos live folgen kann – ohne Störungen, Unterbrechungen, Zurückspulen. Dabei stößt unser Arbeitsgedächtnis schnell an seine Grenzen: Mehr als etwa 16 Wörter pro sinnvoll gebautem Satz lassen sich kaum gleichzeitig verarbeiten. Diese Zahl stammt aus speziellen Studien zum Textverstehen. Forscher (wie hier Andreas Liebl von der Universität Eichstätt) haben sich dabei experimentell angeschaut, wie viele Wörter aufgenommen und verstanden werden. Und sie zeigen auch, wie sich diese Menge verändert, wenn die Wörter in einem Satz bzw. einem inhaltlichen Kontext stehen.
Grenze hängt natürlich nicht nur von der reinen Wortzahl ab, sondern auch von Bedeutung und Struktur. Ein linearer 16-Wort-Satz mit vertrauten Wörtern wirkt natürlich kürzer als ein verschachteltes 16-Wort-Gebilde voller Fachbegriffe. Das erklärt, warum auch ein Satz mit 20 einfachen Wörtern leichtverdaulich wirken kann, während man manch anderen mit nur 10, aber dafür schwierigen Wörtern gedanklich kaum runterkriegt. Kurze Sätze allein sind also kein Allheilmittel für Texte, die Satzlänge von 16 Wörtern ist nur ein Richtwert.
Und dann wären da noch die Satzzeichen. Sie können Orientierung geben und für einen guten Rhythmus sorgen. Wir nutzen sie idealerweise, um Informationen zu kleineren Portionen zu verarbeiten und gleichzeitig keinen Stakkato-Stil zu bekommen. Für die einzelnen Satzzeichen gelten aber unterschiedliche Regeln:
- Komma: nicht zu viele! Aber wenn man sie dosiert einsetzt, ermöglichen sie es, in einem schönen abwechslungsreichen Stil zu schreiben. Dann sind auch mal bis zu 25 Wörter pro Satz okay.
- Doppelpunkt: Ein sehr schönes Mittel, wenn man es nicht übertreibt. Der Doppelpunkt signalisiert: Achtung, jetzt kommt was Anderes, was Besonderes, was Wichtiges.
- Klammern: Für Ein-Wort-Erklärungen eine gute Sache. Nicht geeignet, um darin ganze Gedanken zu äußern, die eigentlich einen eigenen Satz verdient hätten. Wenn in einer Klammer ein Punkt auftaucht, sollte sofort der Alarm losgehen.
- Gedankenstrich: Immer dann gut, wenn nur einer davon im Satz vorkommt. Dann kann er am Ende vom Satz noch mal einen Tusch setzen – und so für besondere Aufmerksamkeit sorgen. Zwei Gedankenstriche in einem Satz sind meist schlecht bzw. nur bei kurzen Sätzen und ganz kurzen Einschüben okay.
- Semikolon: selten hilfreich, eher irritierend. Irgendwo zwischen Komma und Punkt zu verstehen. Ganz selten sinnvoll, wenn man gerade kein Komma machen kann und keinen Punkt setzen will.
- Fragezeichen: Schönes Mittel, das die Betonung ändert und zum Mitdenken einlädt. Funktioniert bei manchen Textsorten super (Reden), wirkt bei anderen unangemessen (Entscheidungsvorlagen). Insgesamt aber zu selten verwendet. Warum nicht mal ein Fragezeichen und damit den Rhythmus ändern? Wenn sie in Texten mehrmals auftauchen, drängt sich manchmal die Frage auf, ob der Text wirklich Antworten gibt oder mich nur befragt …

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