Streckverben ziehen alles in die Länge und sind schlecht. Meistens.

Der Beamte kann eine Kalkulation vornehmen – oder kalkulieren. Der Sturm kann Verwüstungen anrichten – oder verwüsten. Meist sind die längeren Konstrukte stilistischer Murks. Manchmal sind sie aber auch notwendig. Das gesteht ihnen sogar Stilpapst Wolf Schneider zu …

Von Andrea Rayers

„Wir werden es in Erwägung ziehen und Verzicht leisten müssen“ – merken Sie was? In diesem Beispiel haben es sich zwei Streckverben bequem gemacht und geben dem Satz einen umständlichen, behördlichen Klang. Dabei kann man sie doch durch viel einfachere, schönere Verben ersetzen: erwägen, verzichten.

Streng genommen ist das Streckverb auch nicht nur ein Verb – darauf lässt schon der linguistisch korrekte Ausdruck „Funktionsverbgefüge“ schließen: Es ist eine Kombination aus Substantiv und Verb. Die eigentliche Bedeutung aus dem ursprünglichen Verb („beschließen“) geht dabei auf das Substantiv über („Beschluss“), und das nachfolgende Verb trägt keine eigene Bedeutung („fassen“).

Jedes Streckverb ist also ein Gefängnis für ein Verb, das Sie nach Möglichkeit befreien sollten. Denn, da sind sich alle Deutsch-Stilistiken einig, je mehr Substantive ein Text hat, desto hölzerner und schwerer zu verstehen wird er.

Doch selbst einer der kritischsten Sprachstil-Lehrer, der nahezu hundertjährige Wolf Schneider, verteufelt nicht per se alle Streckverben. In seinem Buch „Deutsch für Profis“ ruft er zur Differenzierung auf: „Für ‚Erfolg haben‘ besitzen wir kein Verb, und ‚jemanden zur Verzweiflung bringen‘ ist etwas anderes als ‚verzweifeln‘.“ Man muss also von Fall zu Fall Überlegungen anstellen – äh, überlegen.