Duden sorgt mit Adjektiv-Regeln für Verwirrung

Warum muss man ein stilles Wasser klein schreiben, darf aber ein Schwarzes Brett auch groß schreiben? Das wissen wir zwar auch nicht, aber so legt es der neue Duden fest. Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat er eine neue Regel eingesetzt, die kaum jemand verstehen dürfte. Wir dröseln sie für Sie auf!

Von Laura Bertenburg und Stefan Brunn

Als kürzlich die 27. Auflage des Duden erschien, wurde viel über neue Wörter darin und das große Eszett diskutiert. Dabei enthält der neue Duden viel Wichtigeres: Die Großschreibung der Adjektive in Verbindung mit Substantiven wurde neu geregelt, und zwar so, wie es der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgegeben hatte. Die neuen Regeln sind allerdings in mehrfacher Hinsicht schlecht. Sie widersprechen erstens dem bisherigen allgemeinen Sprachgebrauch. Zweitens sind sie in ihren Fallabgrenzungen so schwammig formuliert, dass man sie kaum anwenden, geschweige denn jemandem erklären kann.

Für Lehrer, die ja zwischen Richtig und Falsch genau unterscheiden müssen, sind die neuen Regeln ein echter Tritt vors Schienbein! Wenn Schüler künftig über Sicheres Verhüten schreiben oder den Einsatz Nachhaltigen Lernens fordern, könnte so mancher Pauker ganz schön ins Grübeln kommen – vielleicht sind das ja in bestimmten Fächern etablierte und feststehende Begriffe? Immerhin könnte er es nachschlagen, bevor er einen Fehler anstreicht. Allerdings nicht nur im Duden, denn der enthält längst nicht alle fachsprachlichen Begriffe.

Aber fangen wir mit der guten Nachricht zur neuen Duden-Regelung an: Wer es nicht sehr genau nimmt, für den sind die neuen Regeln eine Verbesserung. Dieser Zielgruppe raten wir: Schreiben Sie einfach alle Adjektive klein, dann machen sie recht selten Fehler. Der Duden hat nämlich viele Fälle freigegeben für die fakultative Großschreibung. Ausnahmen sind bestimmte Fälle wie Titel, Ehren- und Amtsbezeichnungen (Regierender Bürgermeister), Feier- und Gedenktage (der Erste Mai) sowie Namen aus der Botanik und Zoologie (Fleißiges Lieschen).

Eigentlich lassen sich die Problemfälle ja gut systematisieren:

1: nur klein erlaubt
2: nur groß erlaubt
3: beides erlaubt

Der Duden strukturiert die Regel D89 auch ungefähr so. Das Problem ist, dass er bei Punkt 1 auf einen gegenläufigen Punkt 3b verweist und dass diese beiden Punkte überhaupt nicht trennscharf sind. Wir ordnen die beiden Gruppen hier mal ganz sauber:

Gruppe 1 (nur Kleinschreibung erlaubt), Definition:
„Bildhafte Vergleiche, die in der Gegenwartssprache noch als solche wirken, sich also nicht verselbstständigt haben.“
Beispiele: die alten Sprachen, das stille Wasser, der blinde Passagier, die graue Maus

Gruppe 3b (sowohl Klein- als auch Großschreibung erlaubt), Definition:
„Verbindungen, die eine Gesamtbedeutung angenommen haben, die nicht ohne Weiteres aus ihren Teilen hervorgeht.“
Beispiele: der blaue (oder Blaue) Brief, der runde (oder Runde) Tisch, das schwarze (oder Schwarze) Brett

Was sollen diese komplizierten Definitionen heißen? Man hätte sich sehr gewünscht, es wäre klarer formuliert worden, idealerweise sogar schülergerecht. Aber nun denn. Mutmaßlich ist Folgendes gemeint:

• Solange man bei einer grauen Maus wirklich an eine graue, mausähnliche Person denkt, muss man das Adjektiv klein schreiben.
• Wenn man aber überhaupt nichts mehr Blaues vor Augen hat, wenn man an blaue Briefe denkt, dann darf man sie sowohl groß als auch klein schreiben.

Folgt man dieser Interpretation, müsste man bei einem blinden Passagier ja wirklich denken, er sei blind – immerhin steht er als Beispiel zu Gruppe 1 im Duden. Das aber denkt nun wirklich niemand, nicht mal ansatzweise.

Umgekehrt dürfte man bei einem runden Tisch, der beispielhaft für Gruppe 3b steht, logischerweise nicht mehr an etwas Rundes denken. Das jedoch tun viele Leute ganz bestimmt.

In jedem Fall aber sind die beiden Definitionen so wenig trennscharf, dass sie für eine Regel nicht taugen. In Germanistenkreisen ist das bereits bemerkt worden, als der Rat für deutsche Rechtschreibung (der letztlich die Verantwortung für diese und etliche andere Verwirrungen trägt) die neuen Regeln im letzten Jahr in einem Bericht (PDF-Download) vorstellte. Die Sprachkritiker der deutschsprachigen Qualitätspresse haben die neuen Adjektiv-Regeln im Duden dagegen noch gar nicht gewürdigt respektive verhackstückt. Die Nachrichtenagenturen und somit Hunderte anderer Medien in Deutschland werden ihre Adjektivschreibung ja jetzt auch umstellen müssen. Haben sie es nur noch nicht gemerkt oder ignorieren sie inzwischen die Regeln von Rechtschreibrat und Duden einfach, was glauben Sie? Wir freuen uns über Ihre Einschätzung!